Drei Freunde versuchen im Drama „Wir wollten aufs Meer“ ihre Lebensträume zu verwirklichen

Berlin. Im Jahr 1986 ist die DDR scheinbar noch ein gefestigter sozialistischer Staat. Doch viele Bürger wollen einfach nur fliehen, in den Westen „rübermachen“. Dazu zählen auch die Rostocker Freunde Conny (Alexander Fehling) und Andreas (August Diehl). Die beiden Hafenarbeiter sind Waisen, ledig und kinderlos – zu viele Hindernisse für ihren Traum, zur Handelsmarine versetzt zu werden. Also lassen sie sich vom Stasi-Oberst Seler (Rolf Hoppe) anwerben, um ihren Freund, den fluchtbereiten Vorarbeiter Matze (Ronald Zehrfeld), zu bespitzeln. Ihre Geschichte, „Wir wollten aufs Meer“, ist an diesem Mittwoch auf Arte zu sehen.

Conny verweigert sich: Er verhilft seiner vietnamesischen Freundin Phuong Mai Dinh Ti (Phuong Thao Vu) zur Flucht nach Hamburg. Er wird von Andreas verraten, dann gefasst und in das äußerst brutal geführte Zuchthaus in Cottbus eingesperrt. Während Conny und Matze sehr unter dem sadistischen Anstaltsleiter Fromm (Thomas Lawinky) zu leiden haben, treibt der skrupellose Andreas weiter sein hochintrigantes Spiel, indem er versucht, alle gegeneinander auszutricksen. Bis er am Ende erkennen muss, dass er sich nicht nur seine besten Freunde zu Feinden gemacht hat.

Die Darsteller Alexander Fehling, Ronald Zehrfeld und Rolf Hoppe wuchsen selbst in der DDR auf, was für ihr intensives Spiel eine gewisse Rolle spielen mag. Regisseur Toke Constantin Hebbeln, 36, gewann 2007 mit seinem Film „NimmerMeer“ den Studenten-Oscar in Hollywood. Er zeigt mit seinem Abschlussfilm „Wir wollten aufs Meer“ drei verzweifelte Menschen, die unter ungeheurem Druck zu Verrätern und Opportunisten werden. Hebbeln führt seine packende Dreiecksgeschichte aus Täuschung, Widerstand und Verrat mit verschiedenen Erzählsträngen immer wieder geschickt zusammen und macht so ein düsteres Elend von ungeahnt tragischem Ausmaß eindrucksvoll deutlich.

Die jungen Schauspieler agieren sämtlich ganz hervorragend: Während August Diehl eher leise den Andreas gibt und Ronald Zehrfeld kraftvoll den aufrechten Matze, glänzt Alexander Fehling als gebrochener Conny, der in mancher Einstellung schon fast wie James Dean in Szene gesetzt wird. Er erkennt zum Schluss den ganzen grausamen Betrug an seinem Leben und seiner Liebe – und bricht in Tränen aus. Aber zumindest er kann – schließlich im Westen angelangt – seinen Seefahrertraum verwirklichen.

„Schlechten Menschen geht es immer gut“, heißt es im Film, der glaubhaft zeigt, wozu Menschen in einem totalitären System fähig sind. Das hat man in vielen Filmen bereits gesehen, so in dem oscar-gekrönten Drama „Das Leben der Anderen“ (2006). Doch hier, beim Betrachten der teilweise in bedrückenden Brauntönen gehaltenen Szenen, drängt sich der Vergleich mit Shakespeare’schen oder griechischen Tragödien geradezu auf. „Jeder geht irgendwann rüber, so oder so“, sagt Conny.

Regisseur Hebbeln, der aus Itzehoe kommt, hatte bei dem Film die Unterstützung durch seinen Mentor Nico Hofmann, bei dem er in Ludwigsburg studiert hat. Zusammen mit dem Koautor des Drehbuchs, Ronny Schalk, war er für die Recherche oft nach Rostock gefahren, um dort mit Matrosen über deren Erfahrungen zu sprechen. „Für mich waren Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit immer gelebte Realität. Ich wusste natürlich von der Fürsorgediktatur in der DDR. Aber wenn man anfängt, sich nicht aus Büchern, sondern über Zeitzeugen mit der deutsch-deutschen Geschichte zu beschäftigen, wird einem bewusst, was das im konkreten Leben bedeutete“, sagt Hebbeln.

Die Szenen, die im Film im Rostocker Hafen spielen, wurden in Hamburg im Hansahafen bei den 50er-Schuppen gedreht.

„Wir wollten aufs Meer“ Mi 20.15 Uhr, Arte