„Mistaken for Strangers“ ist einer der besten Musikfilme überhaupt

Seine lilafarbenen Flip-Flops liegen noch am Pool. Eine Bierdose auch. Vor ihm sind die Hollywood Hills. Palmen. Villen. Tom Berninger, der acht Jahre jüngere Bruder von Matt Berninger, Sänger der Band The National, wird getragen von zwei aufgeblasenen Delfinen. Der Pool gehört zu Matts Hotel. Tom ist sein Gast. Er ist während der High-Violet-Tour als Roadie angestellt. 2010 ist das. Tom ist als Roadie eine denkbar schlechte Idee. Tom vergisst, die Gästeliste abzugeben. Tom trinkt das Bier der Band aus. Er verteilt Müsli- und Milchflecken auf dem Badezimmerboden des Bruders. Eine nächtliche Heißhungerattacke. Dabei wollte Matt seinem kleinen Bruder eigentlich einen Gefallen tun. Denn Tom hatte gerade keinen Job, brauchte Geld, und mit der Band konnte er das erste Mal Europa sehen. Außerdem wollte Tom den Touralltag der Band filmen, und so als Filmemacher vorankommen.

„Mistaken For Strangers“ ist der Versuch des bisher eher erfolglosen Filmemachers Tom Berninger, eine Dokumentation über die Band seines großen Bruders zu drehen. Zwei Splatterfilme hat er gemacht und war als Produktionsassistent bei einem Film über Woodstock dabei. The National spielen auf der ganzen Welt ausverkaufte Konzerte, haben zu diesem Zeitpunkt schon fast eine halbe Million Alben verkauft. Tom ist gespannt auf diese große Welt seines berühmten Bruders.

Die Band The National besteht aus zwei Brüder-Paaren und Matt Berninger. Vier Mitglieder der Band haben also immer einen Vertrauten, jemanden zum Reden, die Familie reist mit. Nur Sänger Matt schwebt einsam dazwischen. Und obwohl es scheint, sie seien sich fremd, daher auch der Filmtitel, der gleichzeitig auch der Titel eines Songs der Band ist, fremd durch den Altersunterschied, durch die unterschiedlichen Lebensentwürfe, sind beide Brüder doch durch eine große und aufrichtige Liebe miteinander verbunden.

„Mistaken For Strangers“ erzählt langsam. Nah dran. Eben nicht so, als würde ein Regisseur etwas dokumentieren wollen, sondern als würde ein Bruder seinen Bruder neu kennen- und lieben lernen. Und am Ende ist das auch so. Und das ist berührend, ein Plädoyer für die Familie und einer der besten Musikfilme überhaupt.

+++++ „Mistaken For Strangers“ USA 2013, 75 Min., ab 12 J., R: Tom Berninger, täglich im 3001, Abaton Fr/Mo–Mi; www.mistakenforstrangersmovie.com