Kai Diekmann tritt in einem Imagefilm für „Hinz & Kunzt“ auf und wird wegen seines Rauschebarts und Kapuzenpullis verwechselt. Die Botschaft: „Man wird schneller abgestempelt, als man denkt.“

Hamburg. Nicht nur „Hinz & Kunzt“-Verkäufer haben mit Vorurteilen zu kämpfen. Auch Promis können schnell abgestempelt werden, wenn ihr Äußeres nicht dem Mainstream entspricht. In einem Werbespot für das Straßenmagazin „Hinz & Kunzt“ beweist das selbstironisch „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann. Der präsentiert sich, seit er die Start-up-Szene im Sillicon Valley für sich entdeckt hat, mit imposantem Rauschebart, Schlabberhose und Kapuzenpulli – und passt damit so gar nicht in das Bild, dass die Öffentlichkeit von einem Mann seiner Stellung üblicherweise hat.

In dem Werbefilm schlendert Diekmann – im gewohntem Outfit, mit Handy am Ohr und einer „Hinz & Kunzt“ unterm Arm – auf eine U-BahnTreppe zu. Als er kurz stehen bleibt, spricht ihn eine vornehme ältere Dame an. „Haben Sie noch eine ,Hinz & Kunzt‘, junger Mann?“, fragt sie den verdutzten Diekmann, drückt ihm Kleingeld in die Hand und nimmt ihm resolut seine Zeitschrift ab. Dann dreht sie wieder ab, ihr Hündchen hinter sich herziehend. Die Botschaft des 30 Sekunden langen Films: „Man wird schneller abgestempelt, als man denkt.“

„Keine Berührungsängste“

Birgit Müller, Chefredakteurin von „Hinz & Kunzt“, freut sich über Diekmanns Engagement. „Es ist bemerkenswert, dass er sich nicht zu schade ist, sich selbstironisch für uns einzusetzen“, sagt sie. „Da sieht man: Wir haben zwar unterschiedliche journalistische Inhalte, aber keine Berührungsängste.“

Kreiert hat den Spot die „Hinz & Kunzt“-Stammagentur Lukas Lindemann Rosinski (LLR) – pro bono, also ohne Honorar dafür zu nehmen. Regie führte Tobias Haase, der im vergangenen Jahr mit seiner Abschlussarbeit für Aufsehen sorgte: In dem in Cannes ausgezeichneten Spot mit der Botschaft „Erkennt Gefahren, bevor sie entstehen“ überfährt ein Mercedes auf einer Dorfstraße einen Jungen, den jungen Adolf Hitler. Sein neuer Coup, der „Hinz & Kunzt“-Film, setzt die im vergangenen Jahr gelaufene Kampagne „Briefmarken stempelt man ab. Menschen nicht.“ fort. Auch dabei hatte LLR die Finger im Spiel. Das Unternehmen war eine von elf Hamburger Werbeagenturen, die zum 20. Geburtstag des Straßenmagazins jeden Monat eine Glückwunschanzeige gestaltet hatten; auch das, ohne dass „Hinz & Kunzt“ dafür etwas zahlen musste. Unter dem Motto „20 Jahre gegen das Abstempeln“ hatte LLR das Close-up eines „Hinz & Kunzt“-Verkäufers gezeigt. Daraus entstanden dann Briefmarken, die knapp 3000-mal verkauft wurden; Restbestände sind noch im Onlineshop von www.hinzundkunzt.de erhältlich.

Der gute Kontakt zu den Hamburger Werbern ist „Hinz & Kunzt“-Geschäftsführer Jens Ade zu verdanken, der selber aus der Branche stammt. Glücklicherweise rennt er bei den ehemaligen Kollegen offene Türen ein, wenn es darum geht, das Straßenmagazin zu unterstützen. „Wir haben zwar einen sozialen Bonus, müssen aber immer wieder auf uns aufmerksam machen“, sagt er. Denn die monatlichen Ausgaben sind hoch: Miete, Papier, Druck, die Honorare für freie Journalisten und die beiden Sozialarbeiter müssen gezahlt werden. Der Erlös aus den verkauften Heften und der aus den (wenigen) Anzeigen ist nur das eine Standbein des Verlags. „Die Hälfte unserer Einnahmen sind Spendengelder“, so Ade. Öffentliche Zuschüsse gibt es nicht. Man müsse mit guter Werbung neue Spender gewinnen oder die Zahlen des Straßenverkaufs steigern.

Die Auflage liegt mittlerweile bei 68.000 bis 70.000 verkauften Heften im Monat, die anfänglichen 100.000 werden nur noch im Dezember erreicht. Dennoch reichen die Einnahmen aus, manchmal ein kleines Plus zu erwirtschaften. „Das stecken wir wieder ins Projekt“, so Ade. Außer von den Werbern wird das Straßenmagazin auch von einigen Kinos – darunter Abaton, Alabama und Schanzenkino – unterstützt. „Da dürfen wir dann einen unserer Spots senden“, sagt Ade. Auch der Film mit Kai Diekmann wird dort zu sehen sein. Wer nicht darauf warten will:

Für die Agentur LLR ist das Engagement selbstverständlich. „Obdachlose werden oft aufgrund ihres Aussehens vorverurteilt“, sagt Creative Director Tim Esser. „Mit dem Spot wollten wir zeigen, wie schnell man selbst in diese ungerechte Situation geraten kann und zum Umdenken anregen.“ „Hinz& Kunzt“ wirke dem entgegen und gebe Menschen wieder eine Perspektive.