Das Familiendrama „Oktober November“ ist bedächtig inszeniert

Götz Spielmanns Kinofilm „Oktober November“ tut so, als brauche er nichts als die Zutaten eines Fernsehdramas. Da ist das hypnotisierende Gesicht seiner Protagonistin, der beliebten Berliner TV-Schauspielerin Sonja Berger (Nora von Waldstätten). Da ist Sonjas Schwester Verena (Ursula Strauss), die sich im österreichischen Heimatdorf um Mann, Kind und den kranken Vater (Peter Simonischek) kümmert, sich aber in den ansässigen Landarzt (Sebastian Koch) verliebt hat.

Natürlich wird Sonja im Dorf ihrer Kindheit eine Antwort auf ihr Leiden finden. Ihr Aufbruch ins Dorf ist zunächst bloß ein Übertritt in einen anderen Sprachraum und in ein anderes Licht: aus der kühlen, nüchternen Berliner Wohnung, weg von den noch eisigeren Hauptstadtdrama-Kulissen hinein in die höhlenartige Wirtsstube und die spätherbstlich ergrauten Berge.

Bis sich die beiden Frauen treffen, vergehen knapp 40 Minuten. Im bedächtigen Wechsel, aber in jeder ruhigen Einstellung von einer seltsamen Spannung getragen, stehen Sonjas und Verenas Lebenswelten scheinbar beziehungslos nebeneinander. Doch irgendwann treten feine, samtene Übergänge hervor, die beide Sphären zu einer filmischen Einheit verkoppeln. Die leise Verwandtschaft beider Umgebungen gewinnt Konturen: Es geht um ähnliche Einsamkeiten, benachbarte Ängste, nahe Sehnsüchte. Das zu beobachten wird hier aber weniger zum psychologischen Spaß als zu einem berauschenden Vergnügen an der Form.

Je länger das Finale sich hinauszögert, je mehr es inhaltlich durchaus TV-Sehgewohnheiten bedient (der Todeskampf des Vaters bringt die Familie zusammen), desto stärker tritt das Kristalline dieses Films hervor: Fast unmerkliche Kameradrehungen setzen dem Gesehenen überraschende Reflexionen auf, bis das vermeintlich ganz andere als Benachbartes kenntlich wird – wie die Lichtveränderung von Oktober auf November. Die Halbgeschwister TV-Melodram und Autorenfilm hassen einander nicht mehr.

+++-- „Oktober November“ A 2013, 114 Min., ab 12 J., R: Götz Spielmann, D: Nora von Waldstätten, Ursula Strauss, Sebastian Koch, täglich im Studio; www.oktober-november.at