Nicki Müllerschöns Gangsterfilm „Harms“ ist ein kleines schmutziges Stück Kino

Morgen wird Harms nach 16 Jahren endlich aus der Haft entlassen, aber heute muss er noch schnell eine knastinterne Angelegenheit regeln. Entschlossen verschafft er sich Zugang zu den Duschen. Erst zertrümmert er im Vorbeigehen einem Kerl am Waschbecken die Nase, dann kümmert er sich um die drei, vier tropfnassen Typen, die bald blutend am Boden liegen, mindestens halb tot. Sogar eine Zahnbürste findet als Waffe Verwendung – im Knast darf man nicht wählerisch sein, da nimmt man sich das, was gerade so herumliegt. Und als man sich noch fragt, ob Harms’ Entlassung aufgrund des Blutbads verschoben wird, öffnen sich die Tore, und das Leben hat ihn zurück.

Er ist Ende 50 und hat sich eine Träne unter das rechte Auge tätowieren lassen, die ihm ziemlich gut steht. Seinen Schnurrbart trägt er derart üppig, dass beide Enden über die Mundwinkel hinaus das Kinn begrenzen – was im Zusammenspiel mit der Träne eine gewisse Melancholie verrät.

Heiner Lauterbach spielt Harms als einsamen Helden, als Gangstergröße verloren im Hier und Jetzt. Das besteht vor allem aus einer muffigen Wohnküche, in der Verbrecher im Pensionsalter sich die Zeit mit dem Spiel „Risiko“ vertreiben, einer trist in der Gegend herumstehenden Pommesbude sowie einer schmierigen Kneipe, in der ein exzellenter Hackbraten serviert wird.

Natürlich hat Harms bald einen wunderbaren Plan, wie er Wohnküche, Pommesbude und Hackbraten auf alle Zeiten entkommen kann. Dummerweise hat Harms nur wenig im Griff, was sich schon bei der Wahl seiner Komplizen zeigt ...

Regisseur Nikolai Müllerschön und Lauterbach haben mit „Harms“ einen Gangsterfilm gedreht, wie er hierzulande praktisch nie entsteht. Blutig und brutal. Sie haben diesen hübschen, kleinen, schmutzigen Film im Alleingang produziert. Gewiss hat man irgendwie, irgendwo, irgendwann schon mal einen besseren und ausgereifteren Gangsterfilm gesehen, auch im deutschen Kino. Trotzdem sehenswert.

++++- „Harms“ D 2014, 98 Min., ab 16 J., R: Nikolai Müllerschön, D: Heiner Lauterbach, Friedrich von Thun, Axel Prahl, Do–Sa, jew 23.00 im UCI Mundsburg; www.oberon-film.de/filme/harms