Der letzte neue „Tatort“ vor der Sommerpause: Ein Stuttgarter Kommissar muss als verdeckter Ermittler in die JVA

Sicherheitschef Andreas Franke ist ein selbstherrlicher Herrscher über den Knast, ein sich kumpelhaft gebender, aber knallharter Typ. Er ist der Babo, der Dinge möglich macht, der Chef der Bande, deswegen nennt man ihn den „King“. Er kann walten, wie er will, denn die JVA Zuffenhausen wird für ihre Effizienz gerühmt. Wichtig ist, was am Ende herauskommt, weshalb die JVA-Leitung gar nicht wissen will, welche Zustände im Gefängnistrakt herrschen. Und so kann Franke (Herbert Knaup) ein System aus Abhängigkeiten und Vergünstigungen aufbauen, zu dem Vollzugsbeamte und Inhaftierte gleichermaßen gehören.

Es geht um Gefälligkeiten, um Hafterleichterungen, Prostituierte und Drogen, um Geld, das in die Taschen der Beamten fließt. Und um das vorübergehende Herausschleusen von Straftätern aus dem Gefängnis, die draußen alte Rechnungen begleichen wollen. Es ist ein Mord, der die Stuttgarter Ermittler Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) auf die Spur einer kapitalen Knastaffäre bringt. Denn der, der ihn begangen haben soll, hat als Häftling doch eigentlich das beste Alibi überhaupt: Holger Drake (Tambet Tuisk) sitzt seit Jahren ein. Jetzt soll er seine Exfrau ermordet haben. Was ist da los in Zuffenhausen?

Nachdem kürzlich erst der Köln-„Tatort“ das klaustrophobische Setting der JVA für einen Krimi benutzte, tut es der Stuttgarter ihm nun gleich. Weite Teile der Episode „Freigang“ spielen im Kittchen; um den Fall zu lösen, geht Lannert undercover als Schließer in die Anstalt. Kollege Bootz leckt gleichzeitig private Wunden und hat eher mit seinen Kindern zu tun, wenn er Lannert heimlich im Puff trifft, um sich ermittlungstechnisch auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Denn die vom LKA erdachte Legende will, dass der „neue“ JVA-Beamte seine Rolle als „geschiedener, einsamer Hurenbock aus Hamburg“ spielt, wie Lannert genervt sagt. Kein Wunder, dass der Mann gestresst ist: Während im Nebenzimmer kopuliert wird, muss er seinem Partner vermitteln, dass die Sache aus dem Ruder zu laufen scheint. Einer der Beamten bringt sich um, der allmächtige Franke rekrutiert ausgerechnet Lannert als neue Korruptionskraft für seine hinterhältige Vereinigung. Der stößt auf diese Weise plangemäß ins Herz der Finsternis vor.

Allerdings droht Barbara Scheffler (Valerie Koch) ein Opfer der unheilvollen Verbindung von Staatsgewalt und Kriminalität zu werden, weil sie als trauernde Witwe des Selbstmörders eine Kronzeugin gegen das System Frankes sein könnte – und also beseitigt werden muss.

Dieser „Tatort“ ist eine Spannungsepisode, in der die Bösen schnell benannt sind und es für die Kriminaler lediglich darum geht, dieses Böse dingfest zu machen, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Denn der „King“ Franke kennt keine Skrupel – und er wird von Herbert Knaup als ebenso kaltherzigen wie männerbündlerischen Anführer dargestellt. So recht nimmt man Knaup den hintertriebenen Kumpel der Knackis allerdings nicht ab. Man kann aber sagen, dass das Drehbuch von Sönke Lars Neuwöhner und Martin Eigler bemüht ist, auf Stereotype zu verzichten – eine herrliche Szene, wie der Ex-Häftling mit Migrationshintergrund, der jetzt in Freiheit zu Frankes krimineller Posse gehört, seinem Hund nach der Jogging-Einheit die Pfoten säubert, bevor der ins Auto darf. Ein Mafiaspießer.

Stark auch, wie Valerie Koch sich als hilfloses Heimchen durch den Trauerschock wimmert. Dass sich der arme Ermittler Bootz in Folge seiner Trennung mit den neuen unschönen Gegebenheiten des getrennten Elternlebens quält, hat man dann irgendwann begriffen; sein Leid wird etwas überstrapaziert. In dieser „Tatort“-Folge hat er jedenfalls als Witwentröster den entspannteren Job, während Lannert sich mit den harten Jungs im Gefängnis herumschlägt. Die Freiheit ist etwas Schönes: Am Ende chauffiert Lannert den Kollegen Bootz im Oldtimer-Porsche über Schwabens Straßen. Die andern bleiben im Knast.

„Tatort: Freigang“ Mo 9.6., 20.15 Uhr, ARD