Für das lange diskutierte Mahnmal am Dammtor wurde der Entwurf des Hamburger Bildhauers Volker Lang ausgewählt

Hamburg. Fahnenflucht, Zersetzung der Wehrkraft – für das Desertieren im Krieg gibt es Ausdrücke, die einer Brandmarkung gleichen. Dass es dabei aber meist um anderes ging als um Feigheit oder Vaterlandsverrat, dass es vielmehr endlich zu rehabilitieren und zu ehren gilt, was von 1939 bis 1945 viele der etwa 30.000 Männer im ehemaligen deutschen Machtbereich das Leben gekostet hat – das beweist die Senatsentscheidung, in Hamburg an zentraler Stelle einen „Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der Militärjustiz“ zu errichten.

Bis es dazu kam, wurde jahrzehntelang diskutiert. Überlebende Deserteure wie der Bremer Ludwig Baumann, 92, der sich maßgeblich für die Rehabilitierung und für das Denkmal in Hamburg engagiert hat, lebten mit Vorstrafe und Erniedrigungen. Erst 2002 hat der Bundestag alle Urteile gegen Wehrmachtsdeserteure aufgehoben, und erst 2009 wurden die Urteile wegen „Kriegsverrats“ aufgehoben – und damit die Vorstrafen derer, die an der Front desertiert waren. „Der Mut und die Gradlinigkeit der Menschen, die sich dem Unrecht der NS-Zeit entgegengestellt haben, ist viel zu lange nicht angemessen gewürdigt worden“, sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler. Das Denkmal soll nun „diese lange Zeit nicht anerkannte Opfergruppe würdigen und stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken“, heißt es aus der Kulturbehörde.

Jetzt, wo endlich eine klare Entscheidung gefallen ist, wurde für das neue Denkmal ein Ort ausgewählt, der sowieso schon im Zusammenhang mit der Kriegsvergangenheit hitzige Diskussionen auf sich gezogen hat. Im Schatten alter Bäume in der Nähe des Dammtorbahnhofs steht seit 1936 der sogenannte „Kriegsklotz“, den Richard Kuöhl im Auftrag der Nationalsozialisten dort als Zeichen der Kriegsverherrlichung errichtet hatte. 1985/86 wurde er durch Alfred Hrdlickas Gegendenkmal konterkariert: Dieses hoch expressive, noch immer aufwühlende Mahnmal des österreichischen Vollblut-Bildhauers zeigt fragmentarisch die Grauen des Krieges, Schmerz, Zerstörung und Todeskampf, die der Künstler in eine Zerrissenheit der Formen übertrug.

Aus finanziellen Gründen und wohl auch aus Verletztheit des Künstlers wegen der vielen Proteste blieb das Kunstwerk ein Fragment. Was bis heute von einigen Hamburgern als Schandfleck empfunden wird, bildet indes in Wien in ähnlicher Gestalt, aber natürlich vollendet, direkt vor der Albertina in der Nähe der Hofburg das Zentrum des ganzen Platzes. In der Donaumetropole ist man offenkundig stolz auf seine Künstler und pflegt deren Werke auch besser als in Hamburg.

In dieses aufgeladene Feld hinein wird jetzt der Hamburger Bildhauer Volker Lang, 50, ein drittes Kunstwerk setzen. Eine elfköpfige Jury unter Vorsitz des Architekten Konstantin Kleffel hat am gestrigen Donnerstag entschieden, sein Konzept zur Gestaltung des Gedenkortes mit dem ersten Preis auszuzeichnen. Lang wird einen transparenten Baukörper in der Form eines gleichseitigen Dreiecks errichten. Bronzene Schriftgitter bilden zwei der drei Wände, und eine gefaltete, geschlossene Wand schließt den Raum zum Dammtordamm ab. Die Texte stammen aus Helmut Heißenbüttels Untergangs-Szenario „Deutschland 1944“.

Bildhauer Lang war anfangs nicht glücklich mit dem Ort: „Der Klotz von Richard Kuöhl ist sehr monolithisch, und auf der anderen Seite trifft man auf einen sehr massiven plastischen Ausdruck mit hoher Emotionalität.“ Das sei schon eine große Herausforderung gewesen.

„Wegen des Denkmalauftrags hat mich die Auseinandersetzung mit dem Kriegsklotz allerdings stärker beschäftigt. Ich musste aber auch eine andere Sprache finden als Alfred Hrdlicka. Eine weitere figürliche Arbeit wäre nicht möglich gewesen, weil seine schon so stark ist. So kam ich auf den Text und die fragile Form des Gitters, auf die Idee von Transparenz im Gegensatz zu Kuöhls Monolith, und die der Schutzlosigkeit. Denn ein Deserteur hat sich in dem Moment der Flucht schutzlos ausgesetzt. Das wollte ich zeigen“, sagt der Künstler. Den Text Heißenbüttels empfindet er als „sehr stark“, weshalb er das Innere des dreieckigen Schriftkörpers öffnen will, um dort nicht nur die Namen der toten Deserteure zu verlesen, sondern auch, in Hörspielform, den Text von Helmut Heißenbüttel.

Kultursenatorin Kisseler umriss, dass es mit diesem Statement um mehr geht, als um die Vergangenheit: „Wir wollen mit dem Deserteurdenkmal ein wichtiges politisches Zeichen für Zivilcourage und Gerechtigkeit setzen und junge Leute dazu ermutigen, für ihre Überzeugung einzutreten, für Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit.“