Beim Treffen der Medienbranche positioniert sich Bürgermeister Olaf Scholz. Im Mittelpunkt: Medienwandel und Digitalisierung

Hamburg. Man kann ahnen, wie der Beginn einer Grundsatzrede zu Problemen, Chancen und Befindlichkeiten der Medienbranche von Klaus Wowereit geklungen hätte: Wahrscheinlich etwas mehr aus dem Handgelenk, mit einer Glasur aus Uns-kann-keiner-Mentalität. Doch obwohl der Aufmerksamkeitssog und der Hauptstadtfaktor von Berlin mit Weichenstellungen der letzten Monate zu tun hatten – den zweitägigen Hamburger „Mediendialog 2014“ eröffnete gestern im Rathaus kein Berliner, sonder der hiesige Regierungschef, Olaf Scholz. Mit einem echten Scholz-Satz: „Medienpolitisch stehen wir in bewegten Zeiten.“ Stehen also. Kein Schwanken in Windböen. Kein voreiliges Suchen nach dem nächstbesten Halt. Erst einmal gut orientieren.

Auf dem Programm der Gesprächsrunden der diesjährigen Experten-Tagung finden sich die allerorts drängenden Grundsatzfragen: Wie kann, soll, muss die Digitalisierung von Medien aussehen? Welche Gesetze sind dafür notwendig – und welche nicht? Welche Folgen hat das? Was ist mit dem Wettbewerb, national, europaweit, global? Und, natürlich: Wann kann man damit wann wie viel Geld verdienen? Auf all diese Aspekte wies Scholz bei seine Rede zu Beginn des Senatsempfangs hin. Anschließend diskutierten Julia Jäkel (Vorstandsvorsitzende Gruner + Jahr), NDR-Intendant Lutz Marmor und Meinolf Ellers (Geschäftsführer dpa-infocom) mit „Zeit Online“-Chefredakteur Jochen Wegner über „Medienwandel und digitale Transformation“.

Der Verkauf vieler Titel, mit dem der Springer-Verlag sich neu erfinden will, und der Streit mit Google über Einfluss und Einnahmen sind zwei aktuelle Aspekte dieser Debatte: „Es geht darum, wer Kommunikationsordnung prägt, wer demokratische Diskurse ermöglicht und wer welche ökonomischen Gewinne aus der Infrastruktur unserer Öffentlichkeit generiert“, betonte Scholz. „Im Zuge der technologischen Umbrüche hat sich nämlich die Konstellation unserer Medienordnung und ihrer Akteure verändert. Jetzt beginnt die Wucht der Debatte darüber, wie wir damit umgehen.“

Eine moderne Medienpolitik müsse Regeln für Inhalte-Plattformen entwickeln, nicht zuletzt auch deswegen, weil digitale Dienstleistungen immer seltener monetär und immer häufiger mit Daten bezahlt würden. „Das Problem sind nicht die Suchmaschinen im Allgemeinen oder gar Google im Speziellen. Das Problem ist, dass wir uns darüber verständigen müssen, was wir wollen und nach welchen Regeln unsere Öffentlichkeit gestaltet werden soll.“ Zur Frage der Inhalte sagte Scholz: „Natürlich darf es nicht so weit kommen, dass einzelne Konzerne allein die Spielregeln digitaler Öffentlichkeiten dominieren. Und erst recht kann es nicht sein, dass einzelne Konzerne nicht nur die Infrastruktur beherrschen, sondern auch noch eigene Inhalte privilegiert über sie zur Verfügung stellen.“

Um diese Entwicklung zu verhindern, werden effektive gesetzliche Mittel notwendig sein, auf Länder- wie auf Bundesebene. „Es ist immer noch eine Angelegenheit demokratischer Gesellschaften, selbst zu bestimmen, welches unternehmerische Handeln sie im eigenen Interesse empfinden.“

Der Mediendialog sei auch Ausdruck dafür, dass sich der Hamburger Senat zu seiner Verantwortung für eine angemessene Medienordnung im digitalen Zeitalter bekenne. Dort schöpfe man die Ideen, um die längst notwendige Anpassung der Medienpolitik an die Konvergenzbedingungen voranzutreiben. „Ich hatte Ihnen in den vergangenen Jahren versprochen, dass das, was wir hier besprechen, Folgen haben wird. Ich bin froh, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Wort halten.“ So sei in die Debatte um den Medienstaatsvertrag Dynamik gekommen. „Wir arbeiten daran, den Gestaltungsanspruch der Länder für die Medienpolitik zu bekräftigen.“

Und auch zum Schluss seiner Ausführungen wurde Scholz wieder staatstragend und grundsätzlich, als er appellierte: „Lassen Sie uns den Rahmen definieren, in dem klassische Medien und neue Vermittler gemeinsam Verantwortung für das Gelingen unserer Öffentlichkeit übernehmen. Medienpolitik würde so wieder ein Stück mehr Marktordnungspolitik und auch Gesellschaftspolitik werden. Dieses Projekt lohnt sich.“