Der Disney-Märchenfilm „Maleficent“ ist eine nie langweilende Bilderorgie

Geschichte, das ist nichts Neues, ist immer auch eine Frage der Perspektive. Eher ungewöhnlich ist es aber, dass diese relativistische Sicht nun auch auf die Märchenwelt übertragen wird. Waren Märchen bis vor einigen Jahren noch in eine überschaubare Welt aus Gut und Böse eingeteilt, hat sich Disney nun vorgenommen, die Märchen weniger ernsthaft, weniger moralisch neu zu erzählen. So gesehen steht „Maleficent“ in einer Reihe mit „Küss den Frosch“, „Rapunzel – neu verföhnt“ und „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“.

Hier erzählt Hexe Maleficent (Angelina Jolie) ihre Version der Geschichte. Dass sie Dornröschen in den ewigen Schlaf schickte, war nicht etwa schlechter Laune geschuldet. So etwas macht man ja nicht ohne Grund, nicht mal, wenn man eine Hexe ist. Maleficent war nämlich einst eine herzensgute Fee, die fröhlich durch ihr Königreich flog und mit Elfen, Gnomen und Walddrachen scherzte und tirillierte und dies heute noch tun würde, hätte es nicht Ärger mit dem ewig schwierigen Nachbarn gegeben.

Auf der anderen Seite der Welt wohnen nämlich Menschen und die haben keinen allzu guten Ruf im Feenland. Aber Maleficent glaubt, eine wohl übliche Fehleinschätzung der Frauen, dass ihr Auserwählter, in dem Fall der kleine Stefan, anders ist als alle anderen. Warum die beiden ihre Zeit miteinander verbringen, wird nicht ganz klar. „Sie sprachen viel miteinander“, hört man die Erzählerstimme, während sie sich gefühlig anschweigen. Es ist kein Film, der wegen seiner geschliffenen Dialoge in Erinnerung bleiben wird.

Vielmehr gewinnt er seine Spannung durch die Mehrdeutigkeit von Maleficent, die ziemlich unangenehm werden kann. Als sie friedlich neben Stefan (Sharlto Copley) eindöst, schneidet er ihre Flügel ab, die doch so prächtig waren, dass toute la Feenland sie darum beneidet hatte. Stefan will den Thron seines Vaters übernehmen. Dieser hatte die Regentschaft versprochen, würde die Niederlage auf dem Felde gegen die Feen-Armee gerächt werden.

Im Augenblick des Erwachens schwört Maleficent ihrerseits wiederum Rache. Ihr Reich wie auch das Menschenland umgibt fortan eine trübdüstere Kulisse. Erlaubt ist der Film für Menschen ab sechs Jahren, aber nur robusten Kindern sei der Gang in diesen Film empfohlen.

Potenzielles Opfer ist die kleine Aurora, das blonde Töchterchen. Bei der Taufe verflucht Maleficent das Kind (Vivienne Jolie-Pitt spielt die kleine Prinzessin Aurora). Mit 16 Jahren werde sie sich an einem Spinnrad piksen und in ewigen Schlaf fallen. Gerettet werden könne sie nur durch jemand, der sie aufrichtig liebt. Der König schickt das Baby aufs Land, lässt alle Spinnräder einsammeln und bunkert sie im tiefsten Verlies. Der übliche Aktionismus eben, wenn die Krise schon da ist. Bei der Auswahl des Personals geht Stefan eher unbedacht vor, als er drei Feen die Betreuung überlässt. Die Damen streiten sich lieber, als dass sie sich um die Kleine kümmern. Aurora wäre nicht einmal annährend 16 Jahre geworden, hätten nicht Maleficent und ihr Kompagnon – mal Mensch, mal Rabe – sie gerettet. Ja, die Hexe entwickelt, mit deutlichem Widerwillen, eine gewisse Sympathie für die heranwachsende Aurora (Elle Fanning). Sehenswert ist gerade in dieser Phase Angelina Jolies mehrdeutiges Spiel. Sie dominiert ohnehin den Film. Und das muss man ja noch sagen dürfen: Nur weil über sie häufig in Klatschspalten berichtet wird, macht es sie nicht automatisch zur schlechteren Schauspielerin.

Irgendwann kommt Maleficent sogar an den Punkt, an dem sie den Fluch widerrufen will, aber gesagt ist gesagt respektive verflucht ist verflucht. Und auch das herbeireitende Jüngelchen (Brenton Thwaites), das sieht der Kenner auf den ersten Blick, wird Aurora nicht retten, will sie nicht ihr Leben lang einem Heintje für Arme dankbar sein müssen. Dann lieber auf ewig schlafen.

Regisseur Robert Stromberg hat für das Produktionsdesign von „Avatar“ und „Alice im Wunderland“ einen Oscar bekommen. Und das sieht man dem Film auch an. „Maleficent“ ist eine Bilderorgie, eine Leistungsschau der technischen Möglichkeiten des 3-D-Films und nebenbei, auch nicht ganz unwichtig, keine Sekunde langweilig.

++++- „Maleficent – Die dunkle Fee“ USA 2014, 97 Min., ab 6 J., R: Robert Stromberg, D: Angelina Jolie, Elle Fanning, Sharlto Copley, Brenton Thwaites, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek (auch 3-D), UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek (auch 3-D), Savoy (3-D, OF)