Geflutete Hänge, riesige Staudämme: Edward Burtynsky dokumentiert Schönheit der Natur – und die verheerenden Eingriffe des Menschen

Die Natur ist voller Wunden. Sie zeigen sich in aufgerissener Erde und verlassenen Minen, in gesprengten Bergen für Trassen für Straßen und Gleisbetten, in überdimensionalen Müllhalden, in gigantischen Staudämmen, für deren Bau Hunderttausende von Menschen umgesiedelt werden mussten wie in China bei der Drei-Schluchten-Talsperre. Seit Jahrzehnten fotografiert Edward Burtynsky diese oft verheerenden Eingriffe des Menschen in die Natur. Die großformatigen Bilder des kanadischen Künstlers werden in den wichtigsten Museen der Welt ausgestellt, Arbeiten von ihm mit den Titeln „Oil“, „Manufactured Landscapes“ oder „China“ wurden weltweit gezeigt. Seine aktuelle Ausstellung „Water“ hängt noch bis zum 24.Mai in der Galerie Springer in Berlin, seine preisgekrönte Dokumentation „Watermark“ läuft seit dem vergangenen Donnerstag in den deutschen Kinos.

Als er im Jahr 2007 in Australien fotografierte, begann Burtynsky zum ersten Mal über ein Wasser-Projekt nachzudenken. „Zu dieser Zeit war Australien der erste Kontinent, der anfing auszutrocknen. Die Nachrichten waren voll von Geschichten über Bauern, die ihr Land verlassen mussten, weil es austrocknete“, schreibt er über die Entstehung von „Watermark“. Burtynsky überlegte, wie er Flüsse und Bewässerungssysteme optimal einfangen konnte und entschied sich für die Vogelperspektive. Vier Jahre lang war er in neun Ländern unterwegs – unter anderem in China, Indien, den USA, Mexiko und auf Island – und fotografierte aus Hubschraubern und Flugzeugen. Die neu entstandene hochwertige digitale Kameratechnik machte es möglich, gestochen scharfe Bilder aus einem sich bewegenden Flugzeug zu machen.

Der Film „Watermark“, den er zusammen mit der Regisseurin Jennifer Baichwal produziert hat, zeigt Burtynsky bei seiner Arbeit und begleitet ihn zu den entlegenen Orten, an denen er fotografiert hat wie etwa den terrassenförmig angelegten Reisfeldern in der Provinz Yunnan, die es dort seit dem Jahr 300 gibt oder nach Allahabad in Indien, wo 30 Millionen Menschen alle zwölf Jahre hinpilgern, um im Ganges ein reinigendes Bad zu nehmen. Durch Burtynskys Augen bekommt der Zuschauer eine neue Sicht auf kreisrunde Felder in Kalifornien, die aus der Luft wie ein Patchwork-Teppich aussehen, oder vom ausgetrockneten Delta des Colorado River, der in den Golf von Kalifornien mündet. Von den ehemals fischreichen Wasserläufen ist nur eine noch trockene rissige Einöde übrig, weil dem Fluss auf kalifornischer Seite Millionen von Tonnen für künstliche Bewässerungssysteme entzogen werden. 2013 wurde der Colorado River auf Platz 1 der am stärksten gefährdeten Flüsse der USA gesetzt.

Die atemberaubenden Arbeiten von Ed Burtynsky sind von ökologischer und politischer Relevanz. Viele von ihnen wirken wie Gemälde. Caspar David Friedrich, Jean Dubuffet und David Shapiro nennt der 58 Jahre alte Fotokünstler aus Toronto als Lieblingsmaler. „Beim ,Water‘-Projekt hat es mich immer wieder gefreut, wenn Bilder entstanden, die Referenzen zu einigen dieser Maler aufwiesen“, sagt er. Wichtiger als dieser ästhetische Nebeneffekt war für Burtynsky jedoch, was er in den vergangenen fünf Jahren über Wasser gelernt hat: „Sobald Wasser nicht mehr zurück ins Meer findet oder im Boden versickern kann, verändern wir die Landschaft. Zahllose Lebewesen, einschließlich des Menschen, haben einen enormen Preis für unseren unersättlichen Appetit auf Wasser gezahlt und für das, was wir der Erde antun, um es zu bekommen.“

„Watermark“ läuft in Hamburg in den Kinos Abaton, Passage und Zeise.

Die Ausstellung „Water“ wird in der Galerie Springer in Berlin (Fasanenstraße 13) bis zum 24. Mai gezeigt. Der Bildband „Water“ umfasst 228 Seiten und ist 2014 im Steidl-Verlag, Göttingen, erschienen.