Anja Harteros, Zubin Mehta und die Münchner Philharmoniker in der Laeiszhalle

Wer von Theodor W. Adorno einmal so richtig amtlich beleidigt wurde, der hatte es geschafft. Für den Musiktheoretiker, der gern über Tonsetzer und andere Geistesgrößen moserte, war Richard Strauss nur eine „Komponiermaschine“. Freundlich ist das nicht, aber es hat durchaus etwas Wahres, sah Strauss selbst sich doch auch so. Er würde komponieren, wie die Kuh Milch gebe, meinte er einmal. Und das Wunderkind – Sohn eines Münchner Hoforchester-Komponisten und einer wohlhabenden Bierbrauer-Dynastie-Tochter – komponierte schon, bevor es lesen und schreiben konnte. Unter Minderwertigkeitskomplexen hat Strauss zeitlebens nie gelitten, im Gegenteil. Er war berühmt-berüchtigt dafür, sein Ego über so ziemlich alles und jeden zu stellen; wenn es darum ging, Gagen auszuhandeln oder sich Vorteile zu verschaffen, lief er zu Höchstform auf.

Er war nicht nur ein schwieriger Charakter, sondern auch ein buchstäblich genialer Komponist, ein Wirkungsvirtuose. Schon die frühen Sinfonischen Dichtungen waren ganz und gar auf klangliche und mitunter auch philosophische Überwältigung ausgelegt. Nördlich des Weißwurstäquators wird der 150. Geburtstag des Tondichters mit etwas weniger Gründlichkeit und Hingabe gefeiert. Doch das Gastspiel der Münchner Philharmoniker unter ihrem Ehrendirigenten Zubin Mehta (Einspringer für den erkrankten Chef Lorin Maazel) bietet in der Laeiszhalle Strauss pur.

Zum Warmwerden beginnt der Abend mit „Till Eulenspiegels lustigen Streichen“, einer spätromantischen Comedian-Vertonung, die keine Worte braucht, bis der Racker am Ende sein Leben aushaucht. Danach wird es schwer, sich bei der Auswahl für das wichtigste Stück des Abends zu entscheiden. Für „Heldenleben“ als typisches Strauss-Unikat spricht, dass er hier ziemlich ungehemmt Eigenlob verarbeitet hat. Schon der Titel selbst weist halbwegs eindeutig auf den Urheber hin. Noch deutlicher wird Strauss’ Selbsteinschätzung in Noten allerdings durch die eingearbeiteten Motiv-Zitate aus eigenen Werken. Ein Best-of-myself, das Strauss-Fans zu einer Runde „Erkennen Sie die Melodie?“ auffordert. Und ganz nebenbei auch noch eine weit ausholende Tondichtung, bei der Dirigenten üppig aus dem Vollen schöpfen können. Zubin Mehta mag solche Stücke sehr, bei denen man das Gaspedal ganz durchtreten kann.

Andererseits aber: die „Vier letzten Lieder“, nach Gedichten von Eichendorff und Hesse, zutiefst anrührende Spätwerke eines alten Manns, der weiß, dass seine Uhr bald ablaufen wird. Und hier ist es nicht nur die musikalische Substanz selbst, die diese Stücke so berührend schwer für jede Interpretin macht. Hier ist es auch Anja Harteros als Argument, eine der erfolgreichsten und meistumjubelten Sopranistinnen, die man derzeit auf Opern- und Konzert-Bühnen erleben kann. Erst recht, wenn sie Strauss singt.

Richard-Strauss-Abend Münchner Philharmoniker, Anja Harteros (Sopran) Mi 21.5., 19.30, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 20,- bis 149,- unter T. 30309898