Nicht nur in „Breaking Bad“, auch in Bayern wird die Droge Crystal Meth gekocht. Ulrike Krieners „Kommissarin Lucas“ ermittelt

Eine der größeren Mythen der Fernsehgeschichte ist es ja, dass sich die Tourismusabteilungen der deutschen Provinzen wirklich freuen können über den Boom der Regionalkrimis. Wer die Rostocker „Polizeirufe“ gesehen hat, möchte ums – na ja – Verrecken nicht an die Ostsee versetzt werden. Im Spreewald – am kommenden Montag kann man es im ZDF wieder einmal besichtigen – herrscht blutige Archaik. Und dass in Regensburg, in der scheinblühenden Oberpfalz, alles auch alles andere als beschaulich ist, wissen wir seit rundgerechnet 1800 Fernsehminuten, die wir mit Kommissar Ellen Lucas verbringen durften.

„Kommissarin Lucas“ ist das vielleicht unscheinbarste und dennoch überzeugendste Format des deutschen Krimiwesens. Seit gut zehn Jahren und mit diesem Sonnabend 20 Folgen ermittelt die aus Köln zugewanderte Kommissarin nun im Bischofssitz an der Donau. Die besten deutschen Nachwuchskräfte haben hier am Fluss angehende Leichen, Mörder oder Kriminalassistenten gespielt, die besten Literaturkriminalisten (Friedrich Ani zum Beispiel, Dominik Grafs Zulieferer für „Das unsichtbare Mädchen“).

Der Dom leuchtet immer wieder schick über die sehr deutschen Straßen am Ufer der Donau. Ihren Mann hat sie begraben in der Zeit, ihre große Liebe auch. Das Private der Kommissarin, ihre Wohngemeinschaft mit der Schwester, das An und Aus ihrer Beziehungen grundiert, erdet die Serie. Was ja in der Regel gerne schief-, hier aber immer wieder glücklich aufgeht.

Sehr elegant, sehr fleißig, sehr beherrscht ist diese Kommissarin. Ihre Verletzlichkeit hat sie bewahrt unter ihrer scheinbar kühlen Oberfläche. Ulrike Kriener gibt ihr eine feine Statur. Sie altert wunderbar mit ihrer Rolle. Dafür, was sie tut, wenn sie in besonders guter Form ist wie in ihrem finsteren Jubelfall, gibt es in „Kettenreaktion“ ein Bild. Ellen Lucas sitzt in einer dunklen Wohnung. Der Strom ist aus. Die Familie ist weg. Der Sohn von tschechischen Drogenhändlern entführt. Die Crystal-Meth-süchtige Mutter in der Entzugsklinik. Der Vater, eine Art deutsche Bodensatzversion von Walter White, dem Meth-Produzenten aus „Breaking Bad“, abhängiger Drogenkoch, Bankräuber, liebender Vater, auf der Flucht. Ellen Lucas sitzt da im Dunkeln, eine Taschenlampe in der Hand, in der verwüsteten Wohnung, in den Ruinen eines Lebens. Und kann es nicht fassen.

„Kettenreaktion“ beginnt mit einer Explosion. Eine Garage explodiert. Man sieht einen Jungen durch einen Wald rennen. Einen Mann mit einem Krad und einem Gewehr auf dem Rücken, scheint ihn zu verfolgen. Ein Mann, von dem wir besser nicht wissen wollen, wie er riecht, zieht sich in seinem Auto eine Linie rein, greift zur Pistole, setzt sich eine Sonnenbrille auf und überfällt eine Bank. Kienle heißt der Mann. Der Junge ist sein Sohn.

Es herrscht Krieg im deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Das wird häufiger betont, als es sein müsste. Es wird ohnehin zu viel geredet, zum Beispiel über die Gefahren von Crystal Meth, dessen Verheerungen man in „Kettenreaktion“ deutlicher sieht als in „Breaking Bad“. Vietnamesen bekämpfen Tschechen, Tschechen jagen Robert Kienle, der es gewagt hat, einen kleinen, regionalen Drogenhandel aufzumachen.

Ellen Lucas bringt kein Licht in das Dunkel. Sie hat die Menschen in ihrem Dunkel ausgeleuchtet. Sie einer Strafe zugeführt, für deren Auslöser sie manchmal wenig konnten. Arbeiten hilft ihr. Auf dem Dach sitzen. Mit Thilo Prückners Hausmeister, der in „Kettenreaktion“ bei der Explosion beinahe gestorben wäre. In die Nacht über Regensburg gucken. Zum Dom. Von ihm kommt zwar keine Hilfe. Aber er ist schön. Und das ist ja schon mal was.

„Kommissarin Lucas: Kettenreaktion“ Sa , 20.15, ZDF