Im Kinderbuchhaus zeigt eine feine Ausstellung mit dem Kinderbuchpreis Luchs prämierte Texte und Zeichnungen

Hamburg. Das Hamburger Kinderbuchhaus stellt alle Luchs-prämierten Kinder- und Jugendbücher aus. Klingt nach einer prima PR-Aktion, schließlich wird der Luchs von der „Zeit“ und Radio Bremen verliehen, und die Verlage haben sicher auch nichts dagegen. Aber wer die kleine Ausstellung unterm Dach des Altonaer Museums abschreitet, dem eröffnen sich neue Perspektiven. Wie das eben geschieht, wenn man Dinge über die Zeiten hinweg klug in Beziehung setzt. Seit 1986 wird der Kinderbuchpreis Luchs vergeben, das sind noch nicht 30 Jahre, doch für das relativ junge Genre Kinder- und Jugendliteratur sind sie eine enorme Zeitspanne.

Mehr als 300 Bücher hat die „Luchs“-Jury prämiert, jeden Monat eines, und dann jeweils eines aus den Zwölfen mit dem Jahres-Luchs ausgezeichnet. Nun hat Birgit Dankert, eine der geistigen Mütter des Luchs, vielfaches Jurymitglied, Kinderbuchrezensentin und überhaupt eine Eminenz der Kinder- und Jugendbuchszene, ihre Sammlung dem Hamburger Kinderbuchhaus geschenkt. Das ist Ehre und Freude für das Haus und natürlich Anlass für die Ausstellung. Nur – wie zeigt man die Bücher auf dem bisschen Platz, ohne dass sie sich in der Erinnerung des Betrachters zum Eintopf vermengen? Kuratorin Dagmar Gausmann-Läpple und ihr Team haben sich für wenige, klare Schwerpunkte entschieden.

Einer ist der Jahres-Luchs 2013, Kirsten Boies so poetischer wie erschütternder Swasiland-Band „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“. Regina Kehn hat das Buch illustriert, indem sie aus der Formensprache und Farbwelt des südlichen Afrika einen eigenen Stil entwickelte. Kehns Ästhetik prägt die ganze Ausstellung, angefangen bei dem Terrakottaton des Buchumschlags auf zwei der wenigen Wände, über die das Kinderbuchhaus verfügt.

Boies und Kehns Buch gibt außerdem das Thema vor, an dem die Ausstellung die Entwicklung der Kinder- und Jugendbuchliteratur beispielhaft vorführt: Wie hat sich unser Bild von Afrika verändert? Da ist „Das Leben des Frederick Douglass als Sklave in Amerika von ihm selbst erzählt“, notabene Nummer 001 in der Sammlung, das Buch hat also den ersten Luchs überhaupt bekommen; auf dem Cover das Foto eines angstvoll dreinschauenden, unrasierten Mannes im zerrissenen Hemd – Klischee voll erfüllt. Die Umschlagzeichnung auf Dolf Verroens „Wie schön weiß ich bin“ wagt dagegen den Sprung in die Subjektivität: Sie zeigt ein weißes Mädchen und als dessen Pupille den Kopf eines schwarzen Kindes.

Andere Titel nehmen die Odyssee von Gegenständen als Vehikel, einen Blick auf die soziale Wirklichkeit in Afrika zu werfen.

Es ist ein genauer, kritischer Blick, zu dem die Ausstellung die Besucher einlädt. Er passt zum Qualitätsanspruch des Luchs. Quietschrosa Serienware sucht man unter den prämierten Büchern vergeblich, allerdings auch manchen bekannten deutschen Kinderbuchautor. Selbst Cornelia Funke mit ihren Fantasy-Rennern ist nicht vertreten – was eher an der Gattung liege als an der Autorin, sagt Birgit Dankert: „Lange Zeit waren Fantasyromane für viele Jurymitglieder keine Favoriten.“

Einen weiteren Schwerpunkt hat Gausmann-Läpple den Bilderbüchern eingeräumt. Zu ausgewählten Büchern zeigt sie die Illustrationen im Original. Jutta Bauers „Königin der Farben“ etwa ist zunächst als Film entstanden. Mit gutem Grund: Bauer hat ihre Figuren gezeichnet und die Farben auf transparentes Papier aufgetragen. Mit jedem Bogen mischten sich die Farben anders – ein Prozess, der sich in einem fertigen Buch nicht darstellen lässt. Anne Möller feiert in ihrem Buch „Über Land und durch die Luft – so reisen die Pflanzen“ mit ihren detailverliebten Bildern ein Fest der Natur. Aber erst der Materialmix aus gerissenem Papier, Wollfäden und Acrylfarben, wie er auf den Originalbildern zu sehen ist, erst die Kleberänder und rauen Stellen lassen den Betrachter am Werden des Buchs.

Die Ausstellung fragt auch, ob es Kinderliteratur überhaupt gibt

Es sind solche Einblicke in die Entstehung eines Buchs, die die Faszination der Ausstellung ausmachen. Ganz gleich übrigens, für welches Alter die Bücher nun sind. Denn gibt es das überhaupt, Kinderliteratur? Der Übersetzer Harry Rowohlt, der den unsterblichen Pu den Bären nach Deutschland geholt hat, pflegt das mit der ihm eigenen Unverblümtheit abzubügeln: „Wenn das Kind doof ist, ist es mit 65 immer noch zu jung.“

Wie gut, dass sich die Luchs-Jury an dieses Diktum nicht gehalten hat.

„Ausgezeichnet! Der Kinder- und Jugendbuchpreis Luchs“ bis 29. März 2015, Di bis So 10 bis 17 Uhr, Kinderbuchhaus im Altonaer Museum, Museumstraße 23. Eintritt frei für Kinder bis 17 Jahren; Erwachsene zahlen den Eintrittspreis des Altonaer Museums. Infos unter T. 42 81 35 15 43; Internet: www.kinderbuchhaus.de