Mit fein dosierter Lebensweisheit beleuchtet die Tragikomödie „Rosie“ Familienbande

Manchmal verliebt man sich ja ein bisschen im Kino. In eine Figur oder den Schauspieler, der diesen außergewöhnlichen Charakter auf so unnachahmliche Weise zum Leben erweckt. Umso bemerkenswerter ist diese Form der Zuneigung dann vielleicht bei einer wie „Rosie“. Denn diese eher verschlossene und oft recht kratzbürstige ältere Dame scheint sich einen feuchten Dreck um jedes Mitgefühl zu scheren.

Rosie lebt allein und in bescheidenen Verhältnissen. Sie raucht zu viel, ertränkt mit reichlich Alkohol die Eintönigkeit ihres einsamen Schweizer Provinzdaseins. Bis sie einen Schlaganfall erleidet und zunehmend auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Weshalb ihre von Eheproblemen geplagte Tochter und ihr in Berlin lebender schwuler Sohn nach Hause zurückkehren. Doch Rosie will sich nicht ihr Leben nehmen lassen, kann auf die Einmischung und die gut gemeinten Ratschläge nur zu gerne verzichten. Erst recht von ihren selbst nicht ganz unverkorksten Kindern will sie sich nicht bevormunden lassen.

Rosie wird von der fürs Kino noch weitgehend unentdeckten, 74 Jahre alten Schauspielerin Sibylle Brunner verkörpert. Sie gibt hier eine bemerkenswert einfühlsame und vollständig uneitle Vorstellung. Rosies geistiger und körperlicher Verfall wirkt völlig authentisch. Beeindruckend aber diese dennoch nicht zu bändigende Kraft, mit der sie sich beständig einen Rest von Selbstbestimmtheit abzutrotzen versucht. Weder Rosie noch ihre Darstellerin buhlen dabei um unsere Sympathie, geschweige denn unser Mitleid. Womit sie sich unsere Zuneigung aber umso redlicher verdient.

Alt und gebrechlich werden und wie damit umgehen: „Rosie“ erzählt von einem vielleicht etwas unangenehmen Thema. Aber Regisseur Marcel Gisler inszeniert mit unsentimentaler Klarheit, doch mitfühlender Wärme – selbst die etwas melodramatischeren Momente des Films erscheinen hier wie etwas persönlich Durchlebtes. Und Sibylle Brunner als Rosie ist eben ein echtes Ereignis.

++++- „Rosie“ Schweiz 2013, 106 Min., ab 12 J., R: Marcel Gisler, D: Sibylle Brunner, Fabian Krüger, Judith Hofmann, Sebastian Ledesma, täglich im 3001-Kino, Passage; www.rosie-derfilm.de