„Yves Saint Laurent“ ist ein berührendes Filmporträt über das Leben eines Mode-Wunderkinds

„Du warst so jung, so schön und so begabt. Aber damals kannten wir uns noch nicht. Deinen ersten Kampf musstest du allein ausfechten.“ Es ist Pierre Bergé, der langjährige Lebensgefährte von Yves Saint Laurent, der aus der Retrospektive das Coming out eines der größten Talente der Modegeschichte schildert – wobei das Engagement im Traditionshaus Christian Dior und die Entdeckung der Homosexualität fast zeitgleich stattfinden. Paris 1957: Der im algerischen Oran aufgewachsene 21-jährige Yves Saint Laurent wird über Nacht zum Shootingstar der französischen Haute Couture, überflügelt seinen Meister, wird nach dessen Tod sogar Chef des Modehauses Dior, wird von Frauen wie Männern begehrt und verehrt. Doch ebenso schnell wie sein Stern aufgeht, droht er auch schon wieder zu sinken.

Nach der ermüdenden Schwemme von Chanel-Filmen in den vergangenen Jahren befürchten viele Kritiker das gleiche Phänomen bei Yves Saint Laurent. Sechs Jahre nach dessen Tod ehren gleich zwei Filme in kurzer Folge das Lebenswerk des Modeschöpfers. „Yves Saint Laurent“ von Regisseur Jalil Lespert startet an diesem Donnerstag, im Mai soll dann „Saint Laurent“ von Bertrand Bonello bei den Filmfestspielen in Cannes gezeigt werden.

Intrigen, Machtspiele, Skandale und die ewige Hatz nach Erfolg und Geld

Zumindest für den ersten, von Pierre Bergé autorisierten Film, kann Entwarnung gegeben werden: „Yves Saint Laurent“ ist kein langatmiger, in Schönheit sterbender Film über Mode. Und er drückt auch nicht auf die Tränendrüse, weil da ein Mann seine Jugend für den Ruhm geopfert hat und darüber verrückt wird. Mit einer Exzessivität, wie man sie von Jim Morrison-, Ray Charles- oder Johnny Cash-Porträtfilmen kennt, zeigt Regisseur Jalil Lespert in lustvollen, opulenten Bildern, wie sich Yves Saint Laurent ganz in Rockstar-Manier mit Alkohol, Kokain und verhängnisvollen Liebschaften selbst zugrunde richtet. Sex, Drogen und Haute Couture – das Leben als scheinbar nie endende Orgie, herrlich dekoriert mit originalen Roben von Christian Dior und Yves Saint Laurent. „Yves Saint Laurent“ ist Liebesfilm, Drama und Tragödie zugleich.

An seiner Seite stets Bergé. Als Liebhaber, Freund und cleverer Geschäftspartner. Während die Öffentlichkeit den smarten Kreativen feiert, der stets im weißen Kittel arbeitet und mit 26 Jahren sein eigenes Imperium gegründet hat, zieht Bergé im Hintergrund die Strippen. Er sorgt dafür, dass die schönen Kleider ihre Abnehmer finden, hält Pressedamen mit Champagner und Investoren mit exklusiven Modenschauen bei Laune. Und versucht verzweifelt, das Genie vor der wirklichen Welt jenseits des Ateliers zu beschützen.

Intrigen, Machtspiele, Skandale und die ewige Hatz nach Erfolg und Geld – Neulinge im Modegeschäft können von dem Film eine Menge fürs Berufsleben lernen.

Dass die Geschichte zu Herzen geht, liegt sehr daran, wie die beiden Hauptdarsteller ihre Rollen ausfüllen: Pierre Niney als Yves Saint Laurent zeigt in vielen Momenten diesen linkischen Gesichtsausdruck des echten Yves Saint Laurent, ebenso seine Zerrissenheit zwischen „shy guy“ und Draufgänger. Und Guillaume Gallienne, wie Niney Mitglied des angesehenen Nationaltheaters La Comédie Française, nimmt man den leicht arroganten, eifersüchtigen Pierre Bergé aus der Upper Class nur zu gern ab. Mit anzusehen, wie die beiden sich gegenseitig anziehen, um im nächsten Moment wieder voneinander abgestoßen zu werden, nicht miteinander, aber schon gar nicht ohne einander leben können, ist schmerzlich, aber auch wunderschön.

„Du warst nur zweimal im Jahr glücklich: im Frühling und im Herbst, wenn die Kollektionen herauskamen“, hört man Pierre Bergé am Schluss sagen. Und ein letztes Mal blickt Yves Saint Laurent, ein gebrochener Mann, ängstlich hinter dem Vorhang auf den Laufsteg. Die Begeisterung des Publikums, der triumphale Applaus und das Lob seiner Mitarbeiter dringen nicht mehr zu ihm durch. Wie in Trance verlässt er die Bühne, auf dem Gipfel des Erfolgs. Sein größter Kampf sei es gewesen, die Frauen gut anzuziehen. Yves Saint Laurent hat ihn gewonnen – allerdings mit großen Verlusten.

++++- „Yves Saint Laurent“ Frankreich 2013, 101 Min., ab 12 J., R: Jalil Lespert, D: Pierre Niney, Guillaume Gallienne, Charlotte Le Bon, täglich im Holi, Koralle, Passage, Studio-Kino, Zeise; www.ysl-film.de