Zahlreiche Aufführungen zwischen Karfreitag und Ostern sind Jesu Leiden und Auferstehung gewidmet

Hamburg. Etwas ist anders dieses Jahr. Wo sich sonst während der Osterfeiertage der Name Johann Sebastian Bach wie ein riesiges, weiches Tuch über sämtliche Hamburger Kirchen und Konzertsäle zu senken scheint, tritt der große Barockkomponist 2014 ins Glied zurück. Klar, es gibt die Matthäus-Passion (in St. Nikolai, St. Katharinen und St. Petri) und die Johannes-Passion (in St. Marien Fuhlsbüttel und in der Kirche am Rockenhof Volksdorf). Aber dieses Jahr hat noch ein anderer Bach seinen Auftritt: Carl Philipp Emanuel, der zweite Sohn des großen Johann Sebastian.

Zu Lebzeiten war er nach damaligen Begriffen ein Weltstar. Sein Label: der „Hamburger Bach“. 20 Jahre lang wirkte C. P. E., wie man ihn gemeinhin zungenschonend abkürzt, als Kirchenmusikdirektor in Hamburg, im Michel ist er begraben. Michel-Kantor Christoph Schoener begreift sich daher augenzwinkernd als Gralshüter von Bachs Erbe. Während der Ostertage ehrt er C. P. E. und sein Hamburger Schaffen in zwei Konzerten: Am Karfreitag dirigiert er die letzte von sechs Matthäus-Passionen C. P. E. Bachs. Der Komponist hat sich dafür reichlich aus Werken anderer bedient, auch aus der Matthäus-Passion seines Vaters. So etwas Schnödes wie das Urheberrecht kannte man damals nicht. Bachs Vorgehen war gang und gäbe, das Ergebnis nennt man „Pasticcio“, eigentlich das italienische Wort für Eintopf. Außerdem erklingt die Kantate „Du wahrer Gott und Davids Sohn“ von Bach Vater.

C. P. E. verband Eigenes mit Fremdem und Empfindsames mit Barockem

Am Ostermontag stehen die Kantaten „Jauchzet, frohlocket“ und „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ auf dem Programm, wiederum beide von C. P. E. „Jauchzet, frohlocket“ erinnert nicht ganz zufällig an Zimtsternduft und Glöckchenklingeln: Hier hat der Komponist den Eingangschor aus dem väterlichen Weihnachtsoratorium in den Eintopf geworfen, eine reizvolle Mischung aus Vertrautem und Fremdem, barockem und empfindsamem Stil.

Der Abendblatt-Oster-Farhplan für Hamburg


Dagegen bringt Rudolf Kelber, Kantor an der Hauptkirche St. Jacobi, ein Stück, auf dem nicht nur C. P. E. draufsteht, sondern in dem auch ausschließlich C. P. E. drin ist. Am Karfreitagnachmittag dirigiert er die Passionskantate „Die letzten Leiden des Erlösers“. Bach schrieb sie im Jahr 1769, kurz nach seiner Ankunft in Hamburg. Durch seine kühnen Harmonien und indem er statt Bibelpassagen Texte zeitgenössischer Dichter vertonte, erreichte er eine neue, unerhörte Art dramatischer Verdichtung. Der Komponist schätzte dieses Werk besonders – was sich auch darin zeigt, dass er zahlreiche Nummern für spätere Pasticci wiederverwendete.

Dass es nicht immer Johann Sebastian sein muss, ist auch andernorts zu erleben. Am Freitagnachmittag finden in der Langenhorner Ansgarkirche Klezmermusik und Meditation statt, es spielt das Ensemble A Mekhaye. Unter der Leitung von Stefan Scharff erklingt in der Blankeneser Kirche das anmutig-klassische Requiem von Cherubini.

Und in der Staatsoper feiert am Karfreitag John Neumeiers Choreografie „Messias“ ihre Wiederaufnahme. „Der“ Messias ist natürlich von Händel. Neumeier hat sich aber seinen eigenen Reim auf das berühmte Oratorium gemacht. So wird die barocke Musik von zwei Sakralwerken von Arvo Pärt eingerahmt. Neumeier hat die Leidensgeschichte der Menschheit und den Lebensweg Jesu, wie Händel sie schildert, gebündelt und in die Gegenwart transportiert, mehr noch: Die Geschichte Jesu wird zur Geschichte jedes Einzelnen.