In dem stillen Roadmovie „Ida“ entdeckt eine Nonne ihre jüdische Herkunft

Nonnen sind vor allem deshalb so abgenutzte und trotzdem immer wieder gern genommene Filmmotive, weil sich zwischen Verschleiern und Enthüllen so schön halblüstern über allerlei Grenzüberschreitungen fantasieren lässt. „Ida“ braucht aber nur ein paar präzise Blicke und Gebärden, um gleich zu Beginn schlimmste Erwartungen zu enttäuschen. Das Kloster verlässt der Film zügig und unspektakulär: Ida (Agata Trzebuchowska) erhält von der Äbtissin den Auftrag, ihre einzige Verwandte zu besuchen, bevor sie ihr Gelübde ablegt. Die angehende Nonne packt also ihren Koffer, umrahmt von den gesenkten Köpfen ihrer Freundinnen. Rasch findet Ida die Tür ihrer qualmenden Tante Wanda (Agata Kulesza).

Und dann pustet Wanda ihrer Nichte den entscheidenden Satz ganz beiläufig hin: „Du bist also eine jüdische Nonne.“ Ida erfährt, dass sie ursprünglich Anna hieß; ihre Mutter war Wandas kunstbegabte Schwester. Die ungleichen Frauen steigen ins Auto und wollen herausfinden, wer Idas Eltern versteckte und verriet. Und während sich auf den Gesichtern Skepsis und Mitleid, Tatkraft und Verzweiflung in feinen Dosen ihre Kämpfe liefern, öffnet sich der Filmraum und wird zu einem stillen, auf eigenartige Weise rasanten Roadmovie. Die anfangs grässlich nüchterne Tante, die einst als parteitreue Richterin Todesurteile gegen „Staatsfeinde“ unterschrieb, nimmt beim Autofahren immer wieder einen Schluck Schnaps: Schnitt. Pferde ziehen den Wagen aus dem Graben – neben der Spur hockt hier der schwarze Humor.

Die poetische Dichte des Films rührt letztlich daher, dass die Balance zwischen einem starr vorgezeichneten Weg und jenen Plötzlichkeiten, die ein Leben, ein Land und ein Kunstwerk durchlässig und lässig machen können, auf jeder Ebene gehalten wird.

++++- „Ida“ Polen 2014, 80 Min., ab 12 J., R: Pawel Pawlikowski, D: Agata Kulesza, Agata Trzebuchowska, Joanna Kulig, Dawid Ogrodnik,täglich im Abaton, Koralle