Alles eine Frage der Perspektive: Auch wenn der Radiosender N-Joy in dieser Woche 20 Jahre alt wird, bleibt er die öffentlich-rechtliche Welle für Junge und Junggebliebene

Hamburg. In 20 Jahren kaum zu altern, das ist ein Kunststück, das man erst mal hinbekommen muss. Genau das hat N-Joy, der junge Sender des NDR, geschafft: 1994 ging er zum ersten Mal auf Sendung, die Hörer waren damals durchschnittlich 23 Jahre alt. Heute, nur wenige Tage vor dem runden Geburtstag am 4.April, liegt der Wert bei knapp über 30 Jahren.

Und von diesen Hörern gibt es mehr als je zuvor: 1,3 Millionen Menschen schalten täglich ein. „Das Versuchskaninchen“ des NDR, wie Norbert Grundei es nennt, Chef von N-Joy und von Beginn an dabei, wird nach einem Erfolgsrezept zubereitet. Die primäre Zielgruppe bleiben die unter 30-Jährigen, aber „hören darf das Programm natürlich jeder“, wie er lachend ergänzt.

Das Grundkonzept hat sich seit 1994 nicht verändert. Dafür aber sonst eine Menge. Zunächst waren die sprichwörtlich „Jungen Wilden“ dem altehrwürdigen NDR noch nicht ganz geheuer. Dementsprechend stand das Sendehaus nicht an der Rothenbaumchaussee, sondern ein Stück weiter nördlich an der Bebelallee. Erst nach zehn Jahren wurde N-Joy in den Schoß der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie aufgenommen, heute liegen Büros und Studio in Haus 12 des großen NDR-Komplexes.

Dort arbeiten elf Redakteure und diverse freie Mitarbeiter an Gegenwart und Zukunft von N-Joy. „Popgrün“, die Markenfarbe, dominiert in den Räumen. Im Großraumbüro, an dessen Ende das Studio liegt, sieht es aus wie überall, wo kreative Menschen arbeiten: Zettel stapeln sich auf Schreibtischen, humorige Ausschnitte aus Zeitungen, Ausdrucke aus dem Netz und ein riesiger Karton, über dem das Schild „Dein Pfand für die N-Joy-Weihnachtsfeier“ hängt. In einem weiteren Flügel nehmen die Morgenmoderatoren Kuhlage und Hardeland einen Song auf, „Sergeant“ Anne Onken bereitet neue Folgen der „Pisa-Polizei“ vor, in der Musikredaktion wird am Programm gefeilt. Grundei wird nostalgisch: „Natürlich sind digitale Alben praktischer, aber Cover und Booklets fehlen mir schon.“ CDs sieht man fast nirgendwo.

Auch nicht im Studio: Die Moderatoren Herr Fremy und Susan lassen sich bei ihrer Arbeit gern über die Schulter schauen. Eine Verkehrsmeldung ploppt auf einem der Bildschirme auf, Christian Fremy blendet den laufenden Song aus und Susan Hammann warnt die Hörer vor Gegenständen auf der A7. Alles läuft digital. Das funktioniert heute reibungslos. 1994 war das noch anders, wie Grundei erzählt: „Wir hatten kontinuierlich einen Mitarbeiter der Software-Firma bei uns sitzen, die das Programm entwickelt hatte. Der saß im Serverraum auf einem knarrenden Stuhl und eilte ins Studio, wenn es mal wieder hakte.“

Soft- und Hardware sind auch heute noch große Themen bei N-Joy. Das wichtigste Stichwort für Grundei und auch für Joachim Knuth, den Hörfunk-Programmdirektor des NDR, heißt „trimediales Arbeiten“. Das Radioprogramm kann noch so gut sein, ohne die Verschränkung mit Online und Bewegtbild, die Ansprache im Netz und die Interaktivität auf den diversen sozialen Kanälen wäre der Erfolg nicht so groß, da sind sich beide sicher. „N-Joy ist vom Radio zur Erlebniswelt geworden“, stellt Knuth fest.

Die Medienlandschaft, sie hat sich radikal gewandelt in den vergangenen 20 Jahren. Die Kollegin, die vor dem Studio an einem großen Pult sitzt und die Hörerreaktionen managt, sie hat gut zu tun, um alle Kanäle im Blick zu behalten. Das Internet schlägt sich auch in der Zukunftsstrategie nieder: „Es wird noch mehr Interaktivität geben.“ Und N-Joy ist für Knuth der ideale „Lackmustest“, von dessen Erfahrungen der Rest der Senderfamilie profitiert. Dazu gehört auch, dass N-Joy „seine Herkunft nicht verleugnet“, wie er weiter ausführt. Das heißt, dass es nicht nur um Unterhaltung geht. Nachrichten beispielsweise werden zentral produziert, dazu gibt es einen Nachrichtensprecher, der sie für das Zielpublikum aufbereitet. Und auch sonst legt der Sender Wert auf Informationen, sei es im Radio oder auf der Webseite. Das Wichtigste aber, so Joachim Knuth, ist, dass „das Radio beseelt bleibt“. Den Musikgeschmack kann kein Sender so genau treffen wie die individuelle Playlist. „Persönlichkeit und Inhalt“, damit kann das Radio auch weiterhin punkten, davon ist Norbert Grundei überzeugt.

Vor der Zukunft steht allerdings die multimediale Gegenwart: Am 4. April widmet sich das Radioprogramm ab 5Uhr morgens den ganzen Tag über der Sendergeschichte. Ehemalige Moderatoren wie Carmen Miosga, Jörg Thadeusz und natürlich Norbert Grundei kehren für einen Tag in ihre alten Jobs zurück, musikalisch lässt N-Joy die letzten zwei Jahrzehnte Revue passieren. Die große Party am Abend zuvor im Mojo Club wird ab 21 Uhr live ins Internet gestreamt, im Fernsehen läuft ab Mitternacht eine Zusammenfassung. Und auch im Radio wird der runde Geburtstag live zu hören sein. Wo? Bei N-Joy natürlich.