Der Hamburger Dirk Bathen schwärzt Passagen in Artikeln, Büchern oder Werbebotschaften. So entstehen Versionen mit anderem Inhalt. Ein Beispiel aus dem Hamburger Abendblatt.

Erstaunlich viele Menschen entspannen, indem sie beim Telefonieren, bei Meetings oder am Schreibtisch kleine Zeichnungen machen. Sie verzieren Arbeitstexte mit Kreisen, Labyrinthen, komischen Tieren oder Gesichtern. Die Vertriebszahlen für 2013 oder Auftragslisten für Veterinärbedarf sehen danach aus wie neugeboren.

So wirken auch Dirk Bathens Blackout-Poems. Aus bestehenden Textblöcken macht er poetisch anmutende Wimmelbilder mit ganz neuen Aussagen. Einfach indem er Zeilen mit Filzstift schwärzt und nur wenige Wörter stehen lässt, die nicht unbedingt zusammengehören, danach aber gemeinsam einen neuen Satz ergeben. Zum Beispiel: „Sie wissen schon: __wenn es früher langweilig wurde, ist heute__ Kommunikation.“ Oder: „Menschen können __sich nur __interpretieren __ weil wir die Gelegenheit dazu haben.“ Auf diese Weise, sagt Bathen, lassen sich eigentlich alle Texte recyceln.

Was macht man sonst mit dem Gedruckten von gestern? Entsorgen. „Millionen Wörter landen im Altpapier, weil sie nutzlos geworden sind und nicht mehr gebraucht werden“, schreibt er in seinem Blog „mentalreserven“. „Die andere Möglichkeit: Man gibt ihnen eine zweite Chance, ein neues Zuhause, einen neuen Sinn, wahrt ihre Identität als Wörter.“ Aus der (Drucker-)Schwärze heraus treten dann quasi ganz neue Einsichten. Bathen ummalt sie mit neonfarbenen Textmarkern, zeichnet Rauten und Fischgrätmuster hinein, macht aus Einspaltern Mehrspalter und aus Hochformaten Querformate, also kleine Kunstwerke. Zum ersten Mal hat er jetzt einen Text zu 100 Prozent recycelt, nämlich den der Abendblatt-Themaseite „Wenn das Smartphone schwanger macht ...“ von Chefredakteur Lars Haider vom 22. Februar.

Bathen, 39, hat einen Blick für Wortdesign. Der Soziologe, Marktforscher und langjährige Mitarbeiter des Hamburger Trendbüros, entdeckte 2012 die „newspaper blackout poems“ des texanischen Künstlers Austin Kleon und probierte das selber aus. Er begann, Zeitungen anders zu lesen, nämlich mit suchendem Blick nach überraschenden Kombinationen: „Nicht jeder Artikel hat die Qualität, versteckte Botschaften ans Tageslicht zu bringen.“ Manchmal findet er in zwei kompletten Zeitungen nichts – dann wieder Lohnenswertes in einer Anzeige. „Inzwischen hab ich fast verlernt, normal Zeitung zu lesen“, sagt Bathen und lacht. „Manchmal denke ich hinterher: Was stand da eigentlich drin?“