Heute feiert das Hansa-Theater seinen 120. Geburtstag. Bereits 1894 wurde im Etablissement auf St. Georg während der Vorstellungen Bier ausgeschenkt. Das war die Geburtsstunde der Erlebnisgastronomie

Natürlich waren es die Künstler, die den Ruf des Hansa-Theaters geprägt haben. Hans Albers oder die Gebrüder Wolf gastierten hier, die Tänzerin Josephine Baker in ihrem Bananenröckchen, Operettendiva Fritzi Massary, Jongleur Rastelli, die Comedian Harmonists, der als Hellseher bekannte Trickkünstler Hanussen oder die Clowns Grock und Charlie Rivel.

Aber zweimal spielten in der 120-jährigen Geschichte des Hansa-Varieté-Theaters Getränke die bedeutendste Rolle. Gegründet wurde das Haus, in dem dann später mehr als 51.000 Vorstellungen gezeigt werden sollten, 1894 vom Bierbrauer Paul Wilhelm Grell. Er kaufte den Hansa-Concert-Saal in St. Georg und baute ihn theatergerecht um, damit sein Publikum hier bei artistischen Vorführungen ordentlich Bier trinken konnte. Die Idee für die Darbietungen hatte er vom Hamburger Dom mitgebracht, wo er Schausteller, die Artistik vorführten, beobachtet hatte.

Es war praktisch die Geburtsstunde der Erlebnisgastronomie. Und nach der Wiedereröffnung 1944 – der Hansa-Theater-Prachtbau war 1943 im Bombenkrieg zerstört worden – setzte das Theater auf Kaffee. Ein Café zu eröffnen war nämlich in den letzten Kriegsjahren nicht verboten, anders als Kino- oder Theatervorstellungen.

Gleich nach dem Krieg, im August 1945, gab’s dann eine Spielerlaubnis von den Engländern. „Da alkoholische Getränke nicht zur Verfügung stehen, stellen wir es unseren werten Gästen frei, solche selbst mitzubringen, RM 3.-, pro Flasche, Gläser bitte beim Kellner anfordern“, stand damals auf der Karte des jungen Nachkriegsvarietés. 1949 konnte man zu den Vorstellungen dann bereits „Bohnen-Kaffee“ anbieten, zum Preis von 1,25 Mark. und auch „Gute Weine“ für 3,34 Mark. Abends kamen englische Soldaten, sie rauchten und tranken. Und nach der Vorstellung machten sich die Mitarbeiter über die heiß begehrten Kippen in den Aschenbechern her.

„Der Laden lief“, hat Telse Grell einmal erzählt, Ehefrau des Gründerenkels und langjährige Varieté-Chefin. Mit ihrem Ehemann Kurt hatte sie jeden Artisten begutachtet, bevor er ans Hansa-Theater engagiert wurde. Niemals traten Künstler auf, die das Paar zuvor nicht selbst gesehen hatte. Die erste Show-Nummer, die Telse Grell allein engagiert hatte, hieß „Siegfried und Partner“. Das war im Jahr 1964, und lange bevor „Siegfried und Roy“ zur Weltattraktion werden sollten.

Das Hansa-Theater, das am 4. März sein 120. Jubiläum feiert, lebt von seinen Artisten, den Kraftmenschen, Zauberern, Akrobaten, Pantomimen, Tierdressuren, Abnormitätenschauen und Ringkämpfen. Jedenfalls war es in der Frühzeit des Varieté-Theaters so. Aber es lebt auch von den Legenden um seine Künstler und ihren Darbietungen. Da sind die vier Elefanten aus Argentinien, die vor ihrem Auftritt, bei dem sie auf dem Seil tanzen sollen, Reißaus durch St. Georg nehmen. Angeblich hat sie der winterliche Schnee so erschreckt. Der weltberühmte Entfesselungskünstler Houdini verschwand gefesselt in einer riesigen Milchkanne und erschien nach drei Minuten nass und frei wieder vor dem Vorhang. Das Publikum tobte vor Begeisterung. Ganz Hamburg hatte er im Dezember 1909 zusätzlich zu seinen Vorstellungen eine Sensation bereitet, als er gefesselt von der Lombardsbrücke in die eiskalte Alster gesprungen war und kurz darauf entfesselt wieder auftauchte.

Cléo de Mérode wurde 1896 von Klatschjournalisten in aller Welt gejagt. Cléo hatte als Ballettmädchen in der dritten Reihe der Pariser Oper getanzt, als sich der belgische König Leopold II. – damals „Europas Playboy Nummer 1“ – in sie verliebte. Der „alternde Monarch“, er war 59 Jahre alt, traf sich öffentlich mit ihr, sie wurde zur großen Ballerina aufgewertet, startete zu einem Triumphzug über die Bühnen der Welt. 1896 wurde sie beim ersten „Miss Universum“-Wettbewerb zur schönsten Frau der Welt gekürt und war das Idol ihrer Zeit.

Als Cléo de Mérode 1898 im Hamburger Hansa-Theater auftrat, bekam sie als Gage 16.000 Mark. Nach heutigem Umrechnungskurs wären das 160.000 Euro, eine Gage, die Madonna angemessen wäre. Das Hansa-Theater soll an ihr trotz allem noch gut verdient haben, denn alle Welt wollte die skandalumwitterte Tänzerin sehen.