Klingt gut, kommt gut: die türkische Band „BaBa ZuLa“ spielte beim Krass-Festival auf Kampnagel

Hamburg. Er ist der Crazy Horse vom Bosporus, ein Nikolaus von Smyrna auf Dope, ein Hochspannung erzeugender Schlaffi, dessen Performance keiner vergisst, der sie je erlebt hat. Murat Ertel spielt eine Saz, das türkische Saiteninstrument, aber sie ist ganz und gar elektrisch, und er erzeugt auf ihr einen Sound, als sei die psychedelische Rockmusik in Istanbul erfunden worden. Denn seine nicht besonders virtuosen Linien, stets von Echospuren verschleiert und gelegentlich mit Wah-Wah-Effekten und Rückkopplungen aufgeraut, klingen zweifelsfrei in jedem Takt nach türkischer Musik.

Ertel, Walrossbart wie weiland Bobbeles Manager Ion Tiriac, spielt äußerlich nahezu unbewegt. Nur eine seltsame Locke baumelt unter seinem fantastischen Flickenhut, wenn er während seiner langen Soli bedächtig mit dem Kopf nickt. Mit seiner Band BaBa ZuLa gastierte der charismatische Musiker am Freitag in der ausverkauften Halle kmh von Kampnagel.

Bekannt wurden BaBa ZuLa außerhalb der Türkei vor allem durch ihre Mitwirkung in Fatih Akins und Alexander Hackes Dokumentarfilm „Crossing The Bridge“, der die Vitalität der Musikszene Istanbuls vorführt. Aber was für eine archaische Underground-Macht die vier Musiker auf der Bühne entfesseln würden, ließ sich nach dem Filmeindruck nicht erahnen. Live lieferten BaBa ZuLa eine verwegene Mischung aus Karawanengrooves, Schamanengeraune, überlaut abgemischten Club-Sounds und Folkpunk-Hymnen.

Für das rhythmische Rückgrat sorgten ein Darabukka-Spieler im Holzfällerhemd und ein nicht besonders pünktlich spielender, dafür enorm stoisch die Autorität der tiefen Töne garantierender E-Bassist. Auf einem Podest hinter einem schräg aufgespannten, mit pharaonisch anmutenden Hieroglyphen bedruckten Tuch residierte der vierte Mann. Mal hieb er ausdauernd auf ein paar Crash-Becken ein, mal spielte er Orgel. Dann klangen BaBa ZuLa wie die orientalischsten Pink Floyd, die es nie gab.

Alle Stücke blieben auf einen Grundton fixiert, und wenn der in der nächsten Nummer seine Höhe wechselte, verschob Murat Ertel entsprechend seinen Kapodaster auf der Saz. Modale Musik ebnet Wege in die Trance, und die Skalen der türkischen Musik sind bekanntlich voller Zwischentöne. Auch die rhythmische Struktur mancher Stücke war nicht so simpel. So zählte der Bandleader dem Publikum mit besonderem Vergnügen den krummen Takt des Songs „Tilki dansi“ vor: „Ein zwei, ein zwei, ein zwei, ein zwei, drei.“ Tief verwurzelt in den Codes ihrer großen Musikkultur, improvisierten die Musiker von BaBa ZuLa ganz selbstverständlich und mit unbändiger Kraft in diesem Neunachteltakt.

Allerdings spielte die Band ihre herrlich ungestüme Partymusik vor ein paar Jahren noch differenzierter, auch mit mehr Überraschungen und Extravaganzen in der Instrumentierung. Da musste man sich auch noch nicht die Finger in die Ohren stecken, um den Abend heil zu überstehen, und die Tänzerin, die früher mit ihnen reiste, hob ihre Show noch mal auf eine ganz andere Stufe des Entrücktseins.

Wem die Sympathien BaBa ZuLas im Aufbegehren um mehr Demokratie in der Türkei und überall sonst gehören, lässt sich unschwer erraten. Augenfällig machten es der Bandleader Murat Ertel und sein Keyboarder, als sie ihre Gesichter eine ganze lange Nummer lang hinter Guy-Fawkes-Masken verbargen, seit ein paar Jahren Symbol der Protestbewegungen rund um die Welt. Auch in den wenigen Texten, die Ertel in betont rudimentärem Englisch sang, bezeugte er die Nähe zur Opposition gegen herrschende Machtverhältnisse: „Es gibt nur zwei Arten von Leuten: die, die lieben, und die, die nicht lieben.“

Dass die Leute in Hamburg ihn liebten, war unübersehbar. Bei manchen Songs ließ sich der Zausel mit der Saz von einem Roadie auf einem kleinen Wagen durch den Saal rollen. Wo immer er auftauchte, musste sich das bunte Licht auf der Bühne mit dem Blitzlichtgewitter und den vielen schimmernden Display-Bildern der Handys messen lassen. Dann erhob sich Murat Ertel gemächlich, stellte sich in Positur und reckte die Finger einer Hand zum Victory-Zeichen. Die Sonnenbrille blieb freilich auch beim Bad in der Menge unverrückbar auf seiner Nase.