Heute ist Premiere, morgen Kinostart des Films “This Is It“. Allein am Wochenende werden 300 Millionen Dollar in die Kinokassen fließen.

Los Angeles/Berlin. Für den Pizzaboten war es keine Lieferung wie viele andere. Der Wächter am Eingang zum Sony-Gelände in Los Angeles wies ihm den Weg, acht Bewaffnete umringten den Ziegelbau. Ein Mann fuchtelte mit einem Hand-Scanner. Die Pizza verschwand in der Durchleuchtungskammer. Als klar war, dass sie keine unerlaubten Zusatzstoffe enthielt, kontrollierte ein weiterer Wächter den Ausweis des Boten, bevor die inzwischen erkaltete Pizza abgegeben werden durfte. Das Prozedere wiederholte sich später auch für die leere Pizza-Schachtel; es könnte ja ein USB-Stäbchen im Müll versteckt sein.

In gewisser Weise war die Sicherheitsparanoia bei "Project Love" - so der Deckname für Michael Jacksons Schwanengesang "This Is It" - sogar verständlich, steht doch eine Milliarde Dollar auf dem Spiel, mutmaßlich. Fünf Tage nach Jacksons Tod konnte AEG-Chef Randy Phillips, der Michael Jackson zweimal eine Welttournee vorgeschlagen hatte und zweimal abgeblitzt war, die Früchte seines dritten Anlaufs betrachten: 130 Stunden Videoaufnahmen von den Proben zu Jacksons Londoner Bühnenshow. AEG steht nicht für die gute alte deutsche Hausgerätefirma, sondern für Anschutz Entertainment Group, einen Multi, der weltweit Tourneen veranstaltet und Arenen betreibt.

Ein paar Tage später erschienen die Lenker der größten Filmstudios - Fox, Universal, Sony, Paramount - bei Phillips im Büro. Als die 15 Minuten Jackson-Ausschnitte vorbei waren, so Phillips, "bekämpften sich die vier gegenseitig, um den Film zu bekommen. Sie sind total ausgerastet."

Den Zuschlag erhielt Sony für 60 Millionen Dollar. Und das Fell des Bären ist längst aufgeteilt, obwohl er erst morgen auf der Wildbahn erscheint. Sony stehen alle Einnahmen zu, bis der Film die 200-Millionen-Marke erreicht hat, danach fallen 90 Prozent der Kartenverkäufe den Jackson-Erben zu, zehn Prozent gehen an AEG. Allein am ersten Wochenende, erwarten Kenner, werden 300 Millionen in die Kinokassen fließen. Die Dollars aus den "This Is It"-DVDs, die erst nächstes Jahr in den Handel kommen sollen, werden zwischen AEG, Sony und den Erben gedrittelt. Alle Beteiligten tun ihr Möglichstes, damit Michael Jackson tot mehr wert ist als lebendig.

Heute ab 18 Uhr Ortszeit (Mittwoch 2 Uhr früh in Deutschland) findet in Los Angeles die "This Is It"-Premiere statt, die in Kinos in 15 weiteren Städten live übertragen wird, u. a. nach Rio de Janeiro, Seoul und Berlin. Dabei wird es neben dem Roten-Teppich-Pomp wohl eine lästige Störung geben: Fans, die sich unter der Parole "This is not it" vereinigt haben, um ihrem Idol einen letzten Dienst zu erweisen: "Einige von uns waren in den letzten Monaten seines Lebens täglich in seiner Nähe", beschreiben sich die Macher von www.this-is-not-it.com . Die Website enthält Augenzeugenberichte von Fans. Eine Sandy postet eine Mail, die sie vier Tage vor Jacksons Tod an dessen Maskenbildnerin Karen Faye gesandt hatte: "Ich habe ihn vor Kurzem im Tanzprobenstudio getroffen, und ich war wirklich schockiert. (...) Er war beängstigend mager. Als ich ihn umarmte, glaubte ich, ein Skelett zu umarmen." Eine Marika schrieb ebenfalls an Karen Faye, denn sie sei in seiner Umgebung "die Einzige, die Liebe für Michael empfindet". Und Marika stellt eine wichtige Frage: "Models sterben im Alter von 18 Jahren an den Folgen von Anorexie, weil ihr Herz aufhört zu schlagen. Und die gehen nur auf einem Laufsteg. Michael ist 50. Er tanzt zehn Stunden am Tag."

Eine Samantha wiederum berichtet über ein Treffen vom 29. Mai. Jackson "erzählte uns, dass er schlafen gegangen war mit dem Gedanken, dass es zehn Konzerte sein würden, um am nächsten Morgen festzustellen, dass es 50 waren! Er sagte: ,Sie haben das ohne meine Zustimmung gemacht.'" Jackos Vater Joe Jackson behauptet sogar, dass bei einigen Stellen im Film massiv geschummelt wurde: "Sie haben bei Tanzszenen Doubles für Michael eingesetzt", sagte er. Regisseur Kenny Ortega widerspricht: "Michael war am Ende der Proben so stark wie seit 15 Jahren nicht mehr." "This Is It", singt Michael Jackson in dem ersten postum veröffentlichten Lied, einem Demo-Band von 1983, das mit Streichern und Hintergrundgesang seiner Brüder unterlegt wurde. Die "This is not it"-Fans fordern nicht zum Film-Boykott auf, aber sie möchten klarstellen, dass Michael nicht - wie AEG es darstellt - , in guter Verfassung gewesen sei. "Wir haben etwas anderes gesehen." Jackson habe sich von AEG und Randy Phillips "finanziell versklavt" gefühlt. Wie sagte der scherzende Phillips doch im März: "Wenn Michael zu nervös wird, um weiterzumachen, werfe ich ihn mir über die Schulter und trage ihn auf die Bühne. Leicht genug ist er ja."

This Is It ab 28.10. im Blankeneser, Cinemaxx, Cinemaxx Harburg, Cinemaxx Wandsbek, Hansa-Studio, Streit's, UCIs Mundsburg, Othmarschen, Smart-City