Der gerade einmal 21 Jahre alte Pianist Kit Armstrong überzeugte in der Laeiszhalle mit Bach und Liszt. Er schafft es, den Schritt von einem Ton zum nächsten zum Ereignis zu machen.

Hamburg. Die beiden kargen Elegien, die Franz Liszt in seinem letzten Lebensjahrzehnt schrieb, sind nicht gerade das, was man gemeinhin einen Publikumsrenner nennen würde. Dass Kit Armstrong am Sonnabend bei seinem Recital in der Laeiszhalle ausgerechnet solche Werke ins Zentrum des zweiten Konzertteils stellte, verrät viel über das Wesen und das Musikdenken dieses erst 21 Jahre alten Pianisten und Komponisten.

Denn Liszt reduziert in seinen Elegien die Musik auf das Wesentliche. Fernab von allem pianistischen Pomp rücken die einstimmige Linie und die Spannung der Intervalle ins Zentrum des Interesses. Der Schritt von einem Ton zum nächsten wird zum Ereignis. Und von den vielen beglückenden Momenten an diesem Abend waren gerade die Stellen äußerster Reduktion und Konzentration die intensivsten. Hier lag das Arbeitsgeheimnis von Armstrongs Kunst offen dar.

Kit Armstrong denkt in Linien. Das war in Reinkultur schon bei Bachs Choralvorspielen zu bewundern, mit denen er das Konzert eröffnete. Hier ist der melodische rote Faden, die Choralmelodie, eingebettet in einen Strom von Gegenstimmen und Figurationen. Dabei hat der Pianist Armstrong in den letzten Jahren gewaltig an Freiheit und Gestaltungskraft gewonnen. Statt der luziden, aber leicht sterilen Bach-Lesart, die noch bei seinem Hamburg-Gastspiel im Jahr 2011 zu hören war, pulsierte das Linienspiel nun von innerem Leben.

Der Jungmeister des Filigranen schuf Steigerungen und dynamische Höhepunkte; er dramatisierte das kontrapunktische Geflecht, ohne die Musik deshalb zu romantisieren. Auch Armstrongs eigene Fantasie über B-A-C-H entpuppte sich als die Anwendung von Bachs-Linien und Variationskunst auf ein gemäßigt modernes, impressionistisch-schillerndes Tonmaterial.

Zu einem etwas kuriosen Ergebnis führte Armstrongs filigrane Linienkunst dagegen bei Liszts Fantasie und Fuge über B-A-C-H: Die dröhnenden Oktavengänge und bollerigen Akkordtürme milderte er derart ab, dass man auf weiten Strecken fast einen echten Bach und nicht Liszts Virtuosenschlachtross zu hören meinte. Wer die pianistische Pranke liebt, dürfte hier sanft enttäuscht worden sein.

Den Beweis, dass er bei Bedarf auch die große Geste im Repertoire hat, hob Kit Armstrong sich klug disponierend bis zuletzt für Franz Liszts Transkription von Bachs Präludium und Fuge g-Moll BWV 542 auf. Mit punktgenau dosiertem Aplomb beschloss der Feingeist so ein Programm, in dem musikalische Klugheit und klares Denken zu einem sinnlichen und emotionalen Ereignis wurden.