Mit Johannes Züll hat Studio Hamburg künftig einen Mann an der Spitze, der sich im Privatfernsehen ebenso auskennt wie mit Sanierungen

Hamburg . Der neue Mann an der Spitze der NDR-Tochter Studio Hamburg kommt vom Privatfernsehen. Das ist zwar kein Widerspruch, eine Überraschung ist es doch. Johannes Züll ist derzeit Chef der kroatischen RTL-Tochter RTL Televizija und soll künftig die zweitgrößte deutsche Film- und Fernsehproduktionsfirma wieder auf Erfolgskurs führen. Daran hatte sich bis November 2013 Carl Bergengruen versucht, der nun als Chef der Filmförderung in Baden-Württemberg über staatliche Fördergelder für Kinoprojekte entscheidet. Mehr als ein halbes Jahr ist es her, dass Bergengruen seinen Abschied von der Produktionsfirma verkündet hatte — seither suchte NDR-Intendant Lutz Marmor, der auch Aufsichtsratsvorsitzender bei Studio Hamburg ist, mithilfe der Hamburger Headhunteragentur Egon Zehnder nach einem geeigneten Nachfolger.

Der ist nun gefunden. Mit dem 48 Jahre alten Züll wechselt ein Manager auf den Studio-Hamburg-Chefposten, der über reichlich Erfahrung mit Umbruchphasen in der Fernsehbranche verfügt. Für RTL sanierte er bereits RTL Interactive und den Nachrichtensender n-tv. In Kroatien gelang es ihm trotz schwieriger Voraussetzungen, RTL Televizija annähernd profitabel zu machen. „Johannes Züll ist eine erfahrene und erfolgreiche Führungskraft in unserer Branche. In seinem bisherigen beruflichen Werdegang hat er die verschiedensten anspruchsvollen Aufgaben gemeistert“, erklärte NDR-Intendant Lutz Marmor. Züll wiederum bat telefonisch um Verständnis, dass er derzeit für öffentliche Statements nicht zur Verfügung stehe. Er sei in dem einen Job noch nicht ganz draußen, in dem anderen noch nicht ganz drin — eine ungünstige Situation für Kommentare die Zukunft betreffend. In der Tat muss die Personalie Züll noch vom Aufsichtsrat von Studio Hamburg abgenickt werden, der bereits an diesem Freitag tagt. Dies ist jedoch mehr eine Formsache. Schließlich ist der NDR der einzige Gesellschafter der Produktionsfirma.

Dem „Handelsblatt“ zufolge soll Züll seinen neuen Job im Sommer antreten. Der NDR will (und kann) das nicht bestätigen; Verhandlungen über eine vorzeitige Vertragsauflösung laufen derzeit. Immerhin hat Züll erst vergangenes Jahr seinen Vertrag bei RTL Televizija um drei Jahre verlängert. Der Manager selbst mag sich an Spekulationen über einen möglichen Starttermin ebenfalls nicht beteiligen, spielt jedoch auf seine persönliche Situation an: Er habe drei Kinder, die nach dem Ende der Sommerferien im August die Schule besuchen müssten. Insofern scheint es unwahrscheinlich, dass es länger als ein halbes Jahr dauern wird, bis Züll samt Familie von Kroatien nach Hamburg wechselt.

Bis es so weit ist, führt weiterhin Andrea Bruns – zusammen mit Kurt Bellmann, der auch dem neuen Vorstandsvorsitzenden zur Seite stehen soll – die Geschäfte im Haus. Bruns ist Geschäftsführerin von NDR Media und hat nebenamtlich die Interimsführung von Studio Hamburg übernommen. Im Unternehmen herrscht, wie zu hören ist, Erleichterung über die Personalie Züll. Positiv wird bewertet, dass der neue Mann keiner aus den eigenen Reihen des NDR ist, sondern ein Geschäftsmann, der unter anderem Erfahrung bei der Unternehmensberatung Boston Consulting sowie im Ausland gesammelt hat. Denn es wird keine leichte Aufgabe, die auf Johannes Züll wartet, so viel steht fest.

Während die Produktionssparte mit renommierten Reihen und Serien wie „Tatort“, „Rote Rosen“ und „Großstadtrevier“ auf stabilen Beinen steht und Preise gewinnt, gilt der Unternehmensbereich Atelier & Technik nach wie vor als Sorgenkind, das im vergangenen Jahr für erhebliche finanzielle Einbußen sorgte. Erste Schritte sind veranlasst: Für die Studios in Berlin wird ein Mehrheitsgesellschafter gesucht, 10.000 Quadratmeter des Studio-Hamburg-Geländes in Tonndorf sollen in den nächsten Wochen verkauft werden. Dort entstehen Wohnungen.

Zahlreiche Namen für Nachfolger wurden in den vergangenen Monaten in Branchenkreisen genannt, vom Intendanten der Berliner Philharmoniker, Martin Hoffmann, über den Madsack-Vorstand Frank Hähnel. Für Züll bedeutet der neue Posten gewiss einen Aufstieg – auch wenn er im Privatfernsehen bereits einen ranghohen Job hat. Auf der Zukunft von Studio Hamburg liegt das Augenmerk der gesamten Fernsehbranche. Keine leichte Aufgabe, aber eine aufregende.