NDR-Chefdirigent Thomas Hengelbrock konzentrierte sich in seinem Konzert kurz vor der Jahreswende auf die drei letzten Sinfonien

Hamburg. Ganz so exotisch, wie die Dramaturgie des NDR Sinfonieorchesters glauben machen will, ist es nicht, die drei letzten Mozart-Sinfonien an einem Abend aufzuführen. In Hamburg gastierten mit diesem vordergründig monothematischen, in sich ungeheuer vielfältigen Programm vor einiger Zeit die Berliner Philharmoniker unter Rattle, auch Simon Gaudenz wagte zum Einstand der Chefdirigentenposition im September 2012 bei der Hamburger Camerata das Mozart-Triple.

Am Freitag nun präsentierte sich das NDR Sinfonieorchester unter seinem Chefdirigenten Thomas Hengelbrock mit der im Sommer 1788 in unfassbar rascher Folge niedergeschriebenen Trias, deren Entstehungszusammenhänge zu den ewigen Rätseln der Musikforschung zählen. Immerhin nährt die tonartliche Korrespondenz (in umgekehrter Reihenfolge) zu drei der „Pariser“ Haydn-Sinfonien Nr. 82 bis 84, die zwei Jahre zuvor entstanden, die Vermutung, Mozarts Werke in Es-Dur, g-Moll und C-Dur seien eine Hommage an den väterlichen Freund.

So faszinierend das Historische erscheint, so beutereich ist die musikalische Analyse hinsichtlich ihrer Bezüge zu Mozarts Opern und, mehr noch, ihrer Vorgriffe auf harmonische Freiheiten künftiger Jahrhunderte. Doch dank der unglaublich differenzierten Sprache ihrer Emotionen ziehen diese drei Sinfonien auch Hörer, die frei sind von derlei Leidenschaften, in ihre Welt.

Mit dem auswendig und ohne Taktstock dirigierenden Inspirator Hengelbrock gelang den Musikern eine unwahrscheinlich transparente und feinnervige Wiedergabe. Zwischen den Chef und seine Truppe passt mittlerweile kein Pergamentblatt mehr; sein Dirigat las sich wie eine fortwährende Liebeserklärung an die Musik und ans Orchester, und diese Liebe klang zurück. Auch vom Publikum: Das Konzert war ausverkauft, auf der Bühne hinter dem Orchester saßen noch mal in zwei Reihen Hörer, die man im Saal nicht mehr hatte unterbringen können.

Die ungewöhnliche Aufstellung – Flöte und Oboen am Pult gegenüber des Dirigenten, zwei Kontrabässe hinter den ersten Geigen, zwei hinter den Celli – sorgte für ein Klangbild, das sich Mozarts Zeit anzunähern suchte. Die Sinfoniker machten Kammermusik; unentwegt terrassierte Hengelbrock Klangräume, sorgte für eine dynamische Differenzierung im Großen wie innerhalb der Orchestergruppen, sodass ein bewegliches und sinnhaftes Spiel mit Tiefenschärfen entstand. Man hörte alles, alles war gestaltet: Jede Nebenstimme, jede Motiv-Übergabe zwischen Ersten und Zweiten Geigen, die wundervoll harmonierenden Holzbläser. Die mit Holzschlägeln gespielte Pauke lieferte prägnante Impulse, die Hörner machten federnd Druck – ein Konzert, das nicht erst bei der Jupiter-Sinfonie glauben ließ, der Geist des höchsten Gottes schwebe im Saal.