Die Plattenfirma Delikatess Tonträger feiert im Knust das große Labelfest

Knust. Was bedeutet Familie? Für Lisa Noel lautet eine Definition: „Als Plattenfirma sind wir die Familie der Band. Und gemeinsam werden wir groß.“ Gelernt hat die 25-Jährige dieses Prinzip von jenen Akteuren in der Hamburger Musikszene, die es wissen müssen: Noel war Praktikantin bei Grand Hotel van Cleef, der Label-Heimat von Bands wie Kettcar, bevor sie gemeinsam mit Kathrin Johner sowie ihrem jetzigen Ehemann Fred Noel das Label Delikatess Tonträger gründete. Das war 2009. Geschäftspartnerin Johner hatte damals beim Elektrolabel Audiolith gearbeitet und so Erfahrung in der Branche gesammelt.

„Kurz bevor wir starten wollten, saßen wir da also mit den Urgesteinen der Hamburger Indie-Szene im Karostar. Mit Reimer Bustorff, Marcus Wiebusch und Rainer G. Ott vom Grand Hotel und mit Lars Lewerenz von Audiolith“, erinnert sich Lisa Noel. Und was tun diese erfahrenen Überzeugungstäter, die einst selbst mit Herzblut ihr eigenes Ding gestartet hatten: Sie raten den jungen Enthusiasten ab.

„Marcus meinte wohl, uns warnen zu müssen“, sagt Johner. „Mit Tonträgern wird man eben nicht reich. Das ist Risiko, das ist Nervkram, das ist Arbeit“, sagt die 24-Jährige. Genützt haben die gut gemeinten Hinweise indes nichts. Von ihrer Wohnung in Ottensen aus betreiben die Noels gemeinsam mit Johner nun ihre Firma. CDs, Vinylplatten und T-Shirts stapeln sich in ihrem Büroraum bis unter die Decke. Ein langes Brett dient als Schreibtisch. Ein großer Jahresplaner hängt an der Wand. „Momentan suchen wir nach einem Büro, weil es schön wäre, eine neutrale Arbeitsstelle zu haben. Aber die Warteliste für den Karostar ist lang und das neue Projekt der Steg an der Großen Freiheit ist uns zu teuer“, sagt Noel und zieht ihre graue Strickjacke überm gemusterten Kleid zurecht. Draußen vor dem Fenster rattern die Züge vorbei. Der Altonaer Bahnhof liegt direkt nebenan.

„Alles fing mit unserer Herzensband Findus an. Die hatten damals ihre Platte ‚Sansibar‘ aufgenommen, waren aber ohne Vertrag“, erinnert sich Fred Noel. Der 28-Jährige – markante Brille, Holzfällerbart – arbeitet seit gut sieben Jahren als Booker im Musikclub Molotow und hat in dieser Zeit viel Gespür dafür entwickelt, welche Bands eine gute Energie haben. Das Postpunk-Quintett Findus hat neben einer Liveshow, die einer konzentrierten Explosion gleichkommt, vor allem Lyrics zu bieten, die das Kluge mit dem Wütenden verbinden. „Das Findus-Album zu veröffentlichen hat so viel Spaß gemacht, dass wir gesagt haben: Hey, wir können nicht nur eine Platte herausbringen“, sagt Fred Noel. Die Herausforderungen, die es vor allem zu Beginn zu meistern gab, konnten den Elan nicht bremsen.

Am Anfang standen zahlreiche Fragen, erläutert Lisa Noel. Zum Beispiel: „Wie schaffen wir das, dass die Leute uns ernst nehmen? An wen schicken wir unser Promotion-Material?“ Zudem musste das Team einen Vertrieb finden, damit ihre CDs auch in Läden wie Saturn und Michelle Records zu finden sind. Bei der Hamburger Firma Broken Silence wurden sie letztlich fündig. Zwar landen bei Delikatess auch regelmäßig Demos im Postfach, aber bisher beruhen alle Verträge auf persönlichen Kontakten, erzählt Lisa Noel.

Elf Veröffentlichungen zählen mittlerweile zum Portfolio – darunter „Lehnt dankend ab“, das Debütalbum der Punkrocker Frau Potz, sowie „Das Ergebnis wäre Stille“, die dritte Platte von Herrenmagazin. Die Hamburger Indie-Rocker unter Vertrag zu nehmen, war ein feiner Coup für das kleine Label. Und auch bei diesem Deal war der Faktor Mensch entscheidend. „Bei der Releaseparty von Frau Potz war auch Herrenmagazin dabei. Die sind euphorisch in Bierlaune auf uns zugekommen, weil die gemerkt haben, dass bei uns was Fettes abgeht“, erinnert sich Fred Noel. Die Gruppe, die vorher bei Motor Music in viel größeren Dimensionen zu Hause war, hätte „Lust auf was Familiäres“ gehabt, sagt Lisa Noel und lächelt.

Und diese freund- bis verwandtschaftliche Atmosphäre wird sich gewiss auch einstellen, wenn Delikatess Tonträger an diesem Dienstag im Knust sein großes Labelfest feiert. Neben Findus und Herrenmagazin spielen da die polnischen Folk-Popper Paula & Karol sowie die raubeinigen Hamburger Chansonniers Robinson Krause & The Gays Of Thunder und die Disco-Punker Leoniden aus Kiel. Zudem gibt es im Anschluss Tanzbares von den DJs Jan & Jan. Eröffnen wird das Programm wiederum Der dichte Fürst mit einer Dichterlesung an Klavierbegleitung.

Das Line-up ist ein Indiz dafür, dass sich Delikatess Tonträger öffnen möchte. Hin zu anderen Genres, hin zur Internationalität, hin zur Poesie. Für 2014 ist neben der dritten Findus-Platte zudem geplant, einen Musikverlag zu gründen. Doch stets gilt: „Wir wollen natürlich wachsen, damit wir das Ding nicht an die Wand fahren“, sagt Kathrin Johner, die entspannt auf dem Holzfußboden hockt, an die Heizung gelehnt. Den Rücken stärken außerdem weiterhin die Kollegen von Grand Hotel van Cleef und Audiolith. „Es ist cool“, sagt Johner, „dass die nach all den Jahren immer noch als Ansprechpartner für uns da sind, wenn wir Fragen haben.“

Labelfest Delikatess Tonträger Di 17.12., Einlass: 18.30, Beginn: 19.00, Knust (UFeldstraße), Neuer Kamp 30, Eintritt: 20,- Ak.; www.delikatess.org