Konzertkritik

Lloyd Cole in der Fabrik: Mal butterweich, mal böse

| Lesedauer: 5 Minuten
Birgit Reuther

Der britische Musiker Lloyd Cole, 52, verbringt in der Fabrik mit zwei akustischen Gitarren ein kleines Konzertwunder. Ein denkwürdiger Abend, der nachwirkt.

Hamburg. Es gibt Konzerte, die machen glücklich, weil uns da einer zeigt, dass das Leben nicht als gerade Linie verläuft. Und dass wir diesem Hin und Her, das sich Existenz nennt, dennoch trotzen können. Mit Witz, Wärme und Würde, auch mit Wut und Melancholie, vor allem aber mit Musik. Lloyd Cole hat bei seinem Auftritt in der Fabrik dieses Konzertwunder vollbracht, seine Zuhörer ein Stück weit zu verwandeln. Und das mit einfachsten Mitteln.

Unter viel Applaus betritt der 52-Jährige die Bühne und stellt zwei Flaschen Wasser auf einen flachen Tisch. In seinem Rücken warten zwei Akustikgitarren auf ihren Einsatz. Eine ergreift er und beginnt mit dem nostalgischen „Past Imperfect“, mit dem sich Cole als Wanderer in Raum und Zeit positioniert. Amsterdam, Los Angeles. Der Brite ist im Laufe seiner 30-jährigen Karriere viel herumgekommen. Doch in diesen gut zwei Stunden in Altona erschafft er ein musikalisches Zuhause für gleich mehrere Generationen. Vater und Tochter lauschen da seinem Set aus 31 Songs ebenso wie Paare, Freunde und einzelne Fans, die seine Lieder bei den ersten Akkorden ein ums andere Mal mit einem freudigen „Wow“ begrüßen. Nummern wie „To The Church“ von seinem Solodebüt aus dem Jahr 1990.

Die regennassen Jacken hängen über den Stühlen. Alle Plätze im Saal sind besetzt. Einige Gäste stehen hinten an Biertischen, andere lehnen an einem der Fabrikpfeiler und nippen versonnen an ihrem Weinglas. Viele begleiten den Musiker schon eine ganze Weile. Die Erinnerungen, das ist deutlich zu spüren, schweben im Raum.

Und so wird Lloyd Coles Ansage zu „Rattlesnakes“, das 1984 der ersten Platte mit seiner Band The Commotions den Namen gab, mit reichlich Gelächter quittiert: „Als ich diesen Song schrieb, dachte ich, 45 sei ein sehr hohes Alter“, sagt Cole, um dann flugs in die Gegenwart zu springen und in „Kids Today“ davon zu erzählen, dass die Jugend von heute durchaus okay ist. Denn immerhin tanzen sie noch den Lindy Hop und tragen Shirts von Vivienne Westwood. Cole wiederum ist ein distinguierter Herr geworden. Der Anzug dunkel, das graue Haar locker zurückgekämmt. Ein Entertainer mit trockenem Humor, der sich über die Neuerungen der Musik-Vermarktung amüsiert. „Ich habe jetzt eine Facebook-Seite“, sagt Cole und wundert sich über die plötzliche Nähe zu seinen Fans. „Ich kenne jetzt vermutlich sogar einige eurer Namen.“

Mit mächtig Augenzwinkern inszeniert er sich als Grantler. Etwa, wenn er anmerkt, dass er keinen Roadie hat, weil er ja sonst mit diesem zu Abend essen müsste. Also stimmt er die Gitarre zwischendurch selbst. Das Licht der Scheinwerfer spiegelt sich auf der blank polierten Oberfläche des Instruments, das er hoch umgeschnallt trägt. Sehr bewusst und doch lässig.

Manche im Publikum mögen den satten Klang einer kompletten Band vermissen. Aber wie Cole da sein Werk, das durch die Dekaden hinweg von Pop bis Bluesrock reicht, alleine im reduzierten Singer-Songwriter-Sound präsentiert, lenkt die Aufmerksamkeit noch mehr auf die Essenz der Songs. Das Cohen-Cover „Chelsea Hotel“, „Butterfly“, „Perfect Piece“, „Are You Ready To Be Heartbroken?“, „Music In A Foreign Language“, „Jennifer She Said“ – all diese Lieder kommen und gehen wie ein steter Strom akustischer Melodien, deren Spannung nicht in der Wucht liegt, sondern in den Nuancen, den feinen Verwirbelungen und besonders in Lloyd Coles Gesang.

Seine Stimme ist butterweich und auch mal böse. Sie ist so tief, dass der Hörer komplett darin abtauchen kann. So traurig, dass der nächste Lichtblick nicht weit entfernt sein kann. So voll, dass sie die Leere füllt. Und so brüchig, dass der Schmerz spürbar bleibt. Ein Schmerz, wie er in dem Trennungssong „Like A Broken Record“ aus dem Jahr 2010 zum Ausdruck kommt. Von gebrochenen Versprechen, zerbrochenen Träumen singt Cole da. Und es stellt sich die Frage, warum dieser Musiker nie den ganz großen Durchbruch schaffte. Aber er macht immer weiter mit seinem Job. Und er macht ihn gut. Mit Ausdauer.

„Wahrscheinlich bekommt ihr jetzt gerade Textnachrichten von euren Babysittern“, sagt Cole, als der Abend schon weit fortgeschritten ist. Und dann erzählt er noch, dass sein Sohn gerade in Brooklyn lebt. „Er versucht, Rockstar zu werden“, sagt der Künstler und muss kurz lachen. Ironie des Schicksals. Als letzte Zugabe spielt er die alte Commotions-Nummer „Forest Fire“.

Und so lange das Feuer noch brennt, ist die Musik nicht zu Ende.