Der Hamburger Jens Huckeriede ist am Sonntag mit 64 Jahren unerwartet gestorben

Hamburg. Die Wände in seiner Wohnung in Ottensen waren stets übersät mit Zetteln, Notizen für die nächsten Filmprojekte. An Ideen mangelte es Jens Huckeriede nie. Noch in diesen Tagen hatte er Verabredungen mit Leuten aus der Hamburger Filmszene, mit denen er über neue Projekte sprechen wollte. Dazu kam es nicht. Am Sonntagabend ist der Regisseur Jens Huckeriede in seiner Wohnung tot aufgefunden worden. Den Tag über fühlte er sich krank, eine Erkältung schien im Anflug. Die Todesursache ist noch ungeklärt.

„Er stand mitten im Leben und hatte noch so viele Projekte geplant. Wir sind völlig vor den Kopf gestoßen“, sagte Antje Hubert, Huckeriedes Dokumentarfilm-Kollegin der Künstlergemeinschaft die thede.

Gerade erst ist sein aktueller Film „Sound in the Silence“ in den Hamburger Kinos angelaufen. Dan Wolf, der amerikanische Rap-Musiker mit deutschen Wurzeln, begibt sich darin auf die Suche nach seiner Identität als Künstler und Jude der dritten Generation. Er beschließt, dem Schweigen und dem Vergessen offensiv entgegenzuwirken. Rappend, tanzend und spielend bringt er die Stille zum Klingen, zum Beispiel auch in einem Tanzprojekt in Neuengamme. „Wenn wir nicht mehr reden können, müssen wir uns bewegen“, habe Huckeriede gesagt, so Hubert.

Wolf war auch der Protagonist in Huckeriedes größtem Erfolg, „Return of the Tüdelband – Gebrüder Wolf Story“, in der sich der Regisseur auf Spurensuche nach den Gebrüdern Wolf begab. Das Trio war bis in die 20er-Jahre sehr populär, auch international erfolgreich und erhielt von den Nazis ein Auftrittsverbot. Einer ihrer Hits war die Hamburg-Hymne „An de Eck steiht ’n Jung mit ’n Tüdelband“.

„Jens hatte die Gabe Leute um sich zu scharen und für seine Projekte zu begeistern. Seinen Ideen konnte man sich nicht entziehen“, sagt Hubert. Stets habe er sich kritisch mit der Zeitgeschichte auseinandergesetzt, aber dabei nie den moralischen Zeigefinger erhoben. „Seine Arbeit begann gerade erst Früchte zu tragen.“

Huckeriedes thede-Kollege Christian Bau erinnerte sich an die Anfänge des Regisseurs. „Er hatte vorher Filme im Kinderhaus in der Heinrichstraße gezeigt, dann hat er sich bei uns reingearbeitet.“ Nach einem frühen Film über Kinder aus der Hafenstraße arbeiteten sie beim Film „Lubitsch junior“ zum ersten mal gemeinsam an einem Film. „Da hat er gemerkt, dass es sich lohnt, Filme zu machen“, so Bau.

Der Hamburger Kulturmanager Claus Friede, der mit Huckeriede seit den 80er-Jahren gut bekannt ist, lobt vor allem den individuellen Stil des Filmemachers. Huckeriede habe stets seinen eigenen Weg als Künstler gesucht, „der Inhalt bestimmt die Form, hat er immer gesagt“, sagt Friede.

Jens Huckeriede, geboren 1949, hat sich im Lauf seiner Karriere intensiv mit Erinnerung befasst. Mit neuen Erinnerungsformen, die mehr sind als nur zurückschauend. Wie kann man Erinnerung, vor allem an die Zeit des Nationalsozialismus, lebendig halten? Wie geht man damit um, dass es für bestimmte Ereignisse keine Zeitzeugen mehr gibt? Diese Fragen hat sich Huckeriede immer wieder aufs Neue gestellt. Die Erinnerung an ihn, diesen besonderen, eigensinnigen, dem Leben zugewandten Filmemacher, wird so schnell nicht verblassen, soviel steht fest.