Bilder des Fotografen Ingo Arndt zeigen im Wälderhaus tierische Architekten, deren Nester, Lauben, Schalen und Gespinste wahre Kunstwerke sind.

Die Internationale Bauausstellung auf der Elbinsel Wilhelmsburg ist offiziell beendet. Doch die Vorzeigeprojekte bleiben bestehen – und werden gerade um eine zweite, ganz besondere internationale Bauausstellung ergänzt: In direkter Nachbarschaft, im Science Center Wald des Wälderhauses, zeigen ausdrucksstarke Bilder des Naturfotografen Ingo Arndt die Baukünstler der Tierwelt und deren beeindruckende Werke. Sie reichen von wenige Zentimeter großen Behausungen der Köcherfliegenlarven über kunstvolle Nester der Webervögel bis zu landschaftsgestaltenden Biberburgen. Dass auch kleine Tiere Monumentalbauten errichten können, führen australische Termiten vor: Ihre klimatisierten Wohntürme bieten bis zu drei Millionen Individuen Obdach und erreichen Höhen von mehr als sechs Metern.

Die „Architektier“, so der Name der Ausstellung, rückt die Ästhetik in den Vordergrund. Mehr als zwei Jahre reiste Ingo Arndt durch die Welt, dokumentierte zusammen mit seiner Frau Silke Nester, Dämme, Hütten, Höhlen, Schalen, Gespinste. Neben den Fotografien aus den jeweiligen Wohngebieten zeigen Studioaufnahmen Detailansichten, die von Natur aus im Verborgenen liegen, etwa die Komplexität eines Wespenbaus oder das gewundene Innere eines Nautilus, dem einzigen Tintenfisch mit einem festen Außenpanzer. Die Verbindung des Frankfurter Bildkünstlers zum Hamburger Wälderhaus entstand durch den Architekten Andreas Heller. „Er hat unser Gebäude entworfen, das ebenfalls ein besonderer Bau ist“, sagt Jan Munterdorf von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, die das Science Center betreibt. „Heller kannte Ingo Arndt und fand, dass dessen Projekt perfekt zu uns passt.“

Wälder – oder zumindest Bäume – sind sowohl Wohnorte der tierischen Architekten als auch Lieferanten von Baumaterial. Zu den Schwerstarbeitern gehören die Roten Waldameisen: Sie schleppen Fichtennadeln, kleine Zweige oder Holzstückchen, die bis zu 40-fach schwerer sind als sie selbst. Wespen bauen aus zerkautem Holz filigrane Papierpaläste, deren Farbgestaltung mit den eingesetzten Holzarten variiert. Biber werden sogar zu Holzfällern, um an Baumaterial zu gelangen. Für den Transport legen sie häufig Kanäle an, die alle zur Biberburg führen.

Nicht alle Tiere setzen auf nachwachsende Rohstoffe. Besonders Vogelbauten tragen oft deutliche Spuren der Zivilisation. So dokumentierte Arndt ein Türkentauben-Nest, das komplett aus Drähten zurechtgebogen wurde – die Tauben siedelten direkt neben einem Schrottplatz. Und bei den Laubenvögeln, die die Eingänge zu ihren Liebeshütten mit farbiger Deko ausschmücken, finden sich selbst im abgelegenen Bergland von West-Papua (Indonesien) Reste von hellblauen Müllbeuteln oder bunte Getränkedosen.

„Wo ist ein Tier zu Ende?“, fragt der Verhaltensforscher Prof. Jürgen Tautz, der den Bildband zur Ausstellung betextete. Er sieht die Grenze zwischen Tier und Umwelt nicht an der Hautoberfläche, beim Fell oder Gefieder. Vielmehr reiche ein Tier über sich hinaus, gerade im Hinblick auf die genetische Selektion: „Die Kunstfertigkeit der tierischen Baumeister entscheidet mit über Erfolg oder Misserfolg im Kampf ums Überleben und um die Weitergabe der Gene in der Fortpflanzung.“