Ein Besuch bei der bekanntesten Telefonzelle Schottlands: Vor 30 Jahren kam der Kultfilm „Local Hero“ in die deutschen Kinos. Er rückte das kleine Dorf Pennan ins Rampenlicht – und machte ein rotes Telefonhäuschen berühmt, das es gar nicht gab

Mit der Berühmtheit von Schottlands berühmtester Telefonzelle ist das so eine Sache – und zwar eine äußerst kuriose. Denn sie war lange vor dem typisch roten Telefonhäuschen da.

Vor 30 Jahren gingen die Filmbilder des texanischen Ölmanagers MacIntyre um die Welt. Der Mann telefonierte aus der roten Telefonzelle auf der Hafenmole eines kleinen schottischen Fischerdorfes mit seinem Chef im fernen Houston, um ihm aufgeregt Bericht zu erstatten – über Sternschnuppen, Kometen und das bunte Licht am Nordhimmel.

Die rote Telefonzelle ist – neben den amerikanischen Schauspielern Burt Lancaster und Peter Riegert – eine der Hauptdarstellerinnen im Filmklassiker „Local Hero“. Am 2. Dezember 1983 kam das moderne Öko-Märchen von Regisseur Bill Forsyth mit der Filmmusik von Mark Knopfler und den Dire Straits in die deutschen Kinos. Ich war damals sicherlich nicht einer der Ersten, die ins Kino liefen, aber ich gehörte definitiv zu jenen, die „Local Hero“ in seinen Bann zog. Die Landschaft, das Dorf, die Musik, die Poesie...

Der Film wurde mehrfach ausgezeichnet, wurde schnell Kult, und die Fans machten sich auf den Weg in das kleine schottische Fischerdorf Pennan in Aberdeenshire. Hier an der rauen Nordsee wurden die meisten Szenen des Films gedreht. Die Filmfans wollten vor allem eines sehen und fotografieren: die rote Telefonzelle direkt am Meer.

Nur die gab es nicht in Pennan. Keine rote Telefonzelle.

Die berühmteste Telefonzelle Schottlands wurde erst sechs Jahre später, 1989 errichtet. Nicht ganz an der Stelle wie im Film. Sondern etwas von einem Schuppen geschützt, aber immer noch mit Meerblick. Und etwas kurios: Die britische Telefonzelle, die ihre Existenz einem Hollywoodfilm verdankt, steht mittlerweile unter Denkmalschutz.

Durch Zufall wird in dieses Dorf niemand kommen

Fast 30 Jahre nach dem Kinostart von „Local Hero“ bin ich für ein paar Tage in Schottland. Und natürlich denke ich sofort an MacIntyre und seine Telefonate. Wo liegt dieses Dorf? Im Internet sind es nur ein paar Klicks. Ich brauche für die Anderthalb-Stunden-Autofahrt von Aberdeen allerdings einen halben Tag. Immer wieder halte ich an, genieße die Blicke auf die tobenden Nordseewellen und die Weite der sanft hügeligen Landschaft – Cruden Bay, Peterhead, Fraserburgh.

Pennan, das im Film Ferness heißt, liegt am Fuß einer Steilküste am Ende einer schmalen steilen Straße. Durch Zufall wird niemand hierherkommen. Schon die Straßen, die zur Abbiegung dorthin führen, gleichen Feldwegen. An der Kreuzung warnt ein Schild: „Für Wohnmobile ungeeignet!“ Sackgasse.

Die knapp 40 Häuser stemmen ihre weißen Giebel gegen den salzigen Wind von der Nordsee. Auf einer der Bänke an der Uferpromenade sitzt ein älteres Ehepaar. Er liest die Zeitung, sie ein Buch. Nein, aus Pennan kommen sie nicht. „Aber es ist so ein wunderschöner Ort“, sagt die ältere Dame. Die beiden wohnen etwa 60 Kilometer entfernt – und machen immer wieder einen Ausflug hierher. Ansonsten ist es still, menschenleer an diesem sonnigen Nachmittag in Pennan. Kein Moped braust wie im Film die Promenade entlang. Kein Fischer malt an seinem Boot. Keine Männer sitzen mit der Flasche Bier in der Hand auf der Hafenpier. Das wahre Leben hier ist einsamer als im Film. Ganz gleich, an welches Dorfende man sich auch bewegt: Das Mobiltelefon hat hier keinen Empfang.

Lange lebte das Dorf von der Fischerei und Schmuggel. 1704 wurde hier der erste kleine Hafen errichtet. 1982, als „Local Hero“ in Pennan gedreht wurde, lebten noch mehr als 50 Menschen im Dorf. Heute ist es nur noch ein halbes Dutzend. Das Leben ist einsam, der nächste Supermarkt mehrere Meilen entfernt. Von der Fischerei kann man lange nicht mehr leben, und neben der Bedrohung durch Stürme von der Nordsee hängt dem ganzen Dorf die Steilküste im Nacken. 2007 und 2009 gab es größere Felsabbrüche. Das Pennan Inn und auch der kleine Gemeindesaal wurden beschädigt. 2001 – als neue Risse in der Felsküste entdeckt wurden – diskutierte die Regierung gar eine dauerhafte Evakuierung des Dorfes. Doch die letzten Bewohner wollen bleiben.

So wie Baden Gibson. Er ist einer der wenigen, die die Dreharbeiten in Pennan 1982 miterlebten und noch heute in dem Dorf wohnen. Seit 1970 ist der heute 62 Jahre alte Hafenmeister von Pennan. Er fährt noch immer mit seinem Boot „May Lily“ zum Fischen heraus in die Bucht. Der kleine blaue Fischkutter mit der Nummer FR.607 ist das einzige Schiff, das im Hafen liegt. Jetzt, im Herbst, wurde sie bereits aus dem Wasser gezogen und steht vor den weißen Häusern auf der Straße.

Der letzte Fischer von Pennan spielte eine Nebenrolle in „Local Hero“

„Ich habe in ,Local Hero‘ mitgespielt“, sagt Gibson. In einer der Szenen beim Dorffest ist der damals 32-Jährige als Betrunkener mit einer Flasche Bier in der Hand zu sehen. Zwölf Pfund bekam er dafür. „Eine Menge Geld damals“, erinnerte sich Baden Gibson in einem Interview. Seine Vorfahren leben in Pennan seit 1680. Das Dorf werde er – wie ein Kapitän sein Schiff – erst verlassen, wenn es wirklich untergehe.

Einer, der die Erinnerung an „Local Hero“ hochhält, ist Peter Simpson. Er war gerade einmal zwei Jahre alt, als der Film in Pennan gedreht wurde, und wuchs etwa 20 Kilometer entfernt in Turriff auf. Sein Vater arbeitete in der Öl-Industrie, und als Kind hatte er den Film Dutzende Male gesehen. Als Simpson dann 2008 in der Zeitung las, dass der Pub geschlossen wurde und zum Verkauf steht, war für ihn klar: „Ich wollte den 200 Jahre alten Pub kaufen und dem Dorf sein Herz zurückgeben.“

Heute betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Nikki jeweils zwischen März und Ende Oktober das kleine Pennan Inn, in dem im Film Ölmulti Burt Lancaster und sein Mitarbeiter Peter Riegert übernachteten. Das Pennan Inn hat gerade einmal drei Zimmer, ein kleines Restaurant und eine Bar. „Uns besuchen Touristen aus aller Welt, weil sie den Film ,Local Hero‘ gesehen haben und den Ort sehen wollen, an dem ihr Lieblingsfilm gedreht wurde“, sagt Peter Simpson. „Aber natürlich waren es früher deutlich mehr Besucher. Der Film wird halt alt.“

Dennoch erinnert in dem kleinen Hotel – das von März bis Ende Oktober geöffnet hat – an jeder Ecke etwas an den Film: In der Bar hängt ein kleines Filmplakat mit Autogrammen von Lancaster und Riegert. An einer anderen Wand hängt eine schon etwas verblichene Zeitungsseite mit einem ganzseitigen Bericht über die Dreharbeiten. In der kleinen Lobby steht ein alter Plattenspieler – und daneben liegt die Langspielplatte mit der Filmmusik von Mark Knopfler. „Local Hero“ ist hier allgegenwärtig. Selbst auf den T-Shirts des Hotels finden sich die rote Telefonzelle und die Worte „Local Hero“.

Der Filmdreh in Pennan war damals ein Riesenereignis im Dorf. Viele der Dorfbewohner sind im Hintergrund der Szenen zu sehen. Da die Dreharbeiten so viele Schaulustige anzog, richtete man einen kleinen Shuttle-Service ein, um Besucher des Dorfes von der Straßenkreuzung oben auf der Steilküste hinunter zum Dorf zu bringen. Denn Parkplätze gibt es in Pennan nur wenige. Dem Filmteam diente das Pennan Inn damals als Hauptlager.

„Local Hero“ und Pennan sind bis heute eng miteinander verbunden. 2005 wurde Pennan zur besten Film-Location Großbritanniens gewählt. Zum 25. Jubiläum des Films 2008 gab es ein ganz besonderes Ereignis: Die BBC veranstaltete eine Vorführung des Films in der gerade wieder aufgebauten Gemeindehalle – gemeinsam mit Regisseur Bill Forsyth. Es war das erste Mal, dass Forsyth seit den Dreharbeiten zurück nach Pennan kam.

Zum 30. Geburtstag des Films bot ein Reiseveranstalter sogar spezielle Reisen zu den unterschiedlichen Drehorten des Films an.

Doch die Hollywood-Berühmtheit des kleinen Dorfes hat auch ihre Schattenseiten. Die Preise für die Häuser gingen in den 80er- und 90er-Jahren rasant in die Höhe, erinnert sich Baden Gibson. Viele Einwohner verkauften und zogen weg. Die meisten Fischerhäuser wurden zu Feriendomizilen umfunktioniert.

Keine Telefonzelle wird so oft angerufen wie die in Pennan

Im Film gibt es für das Dorf ein Happy End: Die Ölraffinerie wird hier nicht gebaut. Burt Lancaster ist fasziniert von dem Ort und seiner Natur und will stattdessen ein Observatorium errichten. Der texanische Ölmanager MacIntyre wird von seinem Chef zurück nach Houston geschickt, um die Pläne für die Raffinerie zu überarbeiten und einen Standort irgendwo im Landesinneren zu suchen. Er tritt in seine Wohnung, öffnet das Fenster. Der Straßenlärm dringt ein. MacIntyre blickt auf ein Foto aus Schottland. Er greift zum Telefon.

Die letzte Szene in „Local Hero“ zeigt Pennan aus der Vogelperspektive. Es klingelt in der roten Telefonzelle. Wenn ich wieder einmal Sehnsucht habe nach diesem kleinen Dorf in Schottland, dann werde ich es machen wie MacIntyre und zum Telefon greifen. Denn die Nummer der roten Telefonzelle an der Pier von Pennan habe ich mir aufgeschrieben: +44 1346 6210.

Aber es könnte besetzt sein: Denn die Sehnsucht nach der Idylle Schottlands ist groß. Weltweit. Nach einer Statistik der britischen Telekom wird keine andere Telefonzelle in Großbritannien so häufig aus aller Welt angerufen wie das kleine rote Häuschen in Pennan.