Eberhard Möbius, der Gründer des Theaterschiffs, mischt wieder im Kulturleben mit. Seine 20. Jazz-Matinee am Sonntag im Internationalen Maritimen Museum von Peter Tamm ist ausverkauft.

Hamburg. Er verkörpert deutsche Zeitgeschichte und ist in Hamburg eine Institution: Eberhard Möbius. Mit seiner Frau Christa hatte er 1975 das Theaterschiff als schwimmende Kleinkunstbühne im Nikolaifleet und im Hamburger Kulturleben verankert. Er hat – für manche fast vergessen – das Alstervergnügen erfunden, 1976 als künstlerisches Innenstadtfest.

Als er 1958 aus Wernigerode im Harz nach Hamburg kam, hatte der Schauspieler im Hafen als Schiffs- und Kesselreiniger gearbeitet, über den Kontakt zum Intendanten Friedrich Schütter kam er als Dramaturg und Spielleiter ans Junge Theater, das spätere Ernst Deutsch Theater. Künstlerischer Leiter des Kindertheaters war Möbius auch. Der Regisseur, Kabarettist und Autor schrieb mehr als 20 Kinderstücke, Fernsehserien und gut 50 Kleinkunstprogramme für das Schiff, das er 2005 verließ.

Mit seiner erkrankten Frau zog er in die Elbschloss-Residenz, seine 2010 erschiene Autobiografie „Bitte umblättern! Unterwegs in vier Deutschland“ ist ihr gewidmet. In diesem Spätsommer erschien Möbius’ Lyrik-Band „Dem Wort eine Heimat“ mit Geschichten, Gedichten und Balladen aus seinem (Schiffs-)Leben. Er hat ihn immer griffbereit in der Jackentasche.

Mit seinen 87 Jahren ist Möbius jetzt auf einen Rollator angewiesen. Aber im Hamburger Kulturleben ist er mehr als ein Jahr nach dem Tod seiner Frau wieder präsent. Dass seine 20. Jazz-Matinee am Sonntag im Internationalen Maritimen Museum von Peter Tamm längst ausverkauft ist, erwähnt „Möbi“ nebenbei.

Hamburger Abendblatt: Sie treten im Maritimen Museum auf, gelten aber nicht unbedingt als Freund der HafenCity ...

Eberhard Möbius: Das schönste Gebäude dort ist für mich der Kaispeicher B, das Museum von Peter Tamm. Das Ding stand unter Denkmalschutz. Abreißen konnte es die Stadt nicht, also war die vernünftigste Lösung, Tamm 30 Millionen zu geben und zu sagen: Mach mal! Er hat es innerhalb der genau vorgesehenen Zeit bis 2008 fertiggestellt, und zwar hinreißend schön, und er ist mit dem Geld ausgekommen.

Und über den Kaispeicher A, sprich die Elbphilharmonie, sind Sie nicht gram?

Möbius: Ich bin nie gram. Ich war neulich eingeladen beim Kongress deutscher Bauingenieure, Thema war: „Kann Deutschland noch Großprojekte?“ Da haben sie den ganzen Tag darüber geredet, dass Deutschland das noch gut kann, und ich hatte dann abends den Part, das zu erzählen von der Elbphilharmonie.

Taugt die Elbphilharmonie für einen Satiriker noch zu neuen Scherzen?

Möbius: Nein, weil ich das auch nicht mehr so viel tue. Wir haben in Deutschland so viele Kabarettisten, und wir sind in Hamburg so gut besetzt mit vielen. Ob das nun die Dinge sind, die Ulrich Waller am St. Pauli Theater macht oder Nils Loenicker im Duo Alma Hoppe im Lustspielhaus oder Lisa Politt, die im Polittbüro hervorragende Arbeit macht: Das ist alles gut besetzt. Aber das ist ein Humor, den ich nicht unbedingt teile.

Sind Sie denn schon mal im Polittbüro am Steindamm gewesen?

Möbius: Nein. Kulturell fehlen mir im Grunde genommen sieben Jahre. Als Christa krank wurde, da war ich raus. Nur einmal bin ich für einen Tag runter nach Bad Ragaz und habe dort die vierte Schweizer Triennale der Skulptur eröffnet. Eine Einladung zur Eröffnung der sechsten hab ich auch schon, für den 9.Mai 2015.

Jetzt nehmen Sie auch hier wieder teil?

Möbius: Ich habe in diesem Jahr erst einiges kennengelernt, diese ungeheuer vielen Aktivitäten in den einzelnen Bezirken und Stadtteilen. Auch ein Kunstverein in Berne ist etwas Schönes. Die große Kultur ist zwar repräsentativ und schön und kostet viel Geld, da bin ich auch durchaus für Subventionen. Privat sage ich: Ich kann so etwas auch machen als mittelständischer Betrieb – wenn ich den Nerv des Publikums treffe. Wir hatten in der Vergangenheit auch Theater, die pleite gingen, da hab ich mich nicht gefreut. Damals, als wir anfingen, hatten wir nur 14 Theater in der Stadt.

Und ein ganz anderes Alstervergnügen.

Möbius: Straßentheater, Kindertheater, Aldo Ceccato mit den Philharmonikern und John Neumeier mit „Schwanensee“ auf der Bühne. Zum Abschluss gab es ein lautloses Feuerwerk, dazu spielte die Beatles Revival Band oder das Schnuckenack Reinhardt Quintett. Kein Krach und Bumm. Als ich nach sechs Jahren weg war – sofort großer Jubel im Schaustellergewerbe! Und voll war es von Würstchenbratern. Der Ruf hieß nicht mehr: „Hammonia, Hammonia“, sondern „Hareico, Hareico“.

Wenn nicht das Alstervergnügen, was erfreut Sie an der Hamburger Kultur?

Möbius: Ich bin glücklich darüber, dass sich so etwas entwickelt hat wie die Altonale. Dass man plötzlich Balkontheater macht, dass die Menschen da sind, dass sie sich vereinen.

Und die großen Theater?

Möbius: Im Thalia saß ich mit Christa früher immer in der Loge mit den Khuons, wir nannten das immer „Khuons Kuschelecke“. Aber da komm ich mit dem Rollator nicht mehr hoch. Dennoch war ich kürzlich zur Premiere von „Moby Dick“. Ich hab da gesessen und nur noch Mund und Nase aufgesperrt: wie das inszeniert war, wie diese ganze Geschichte von Moby Dick ohne irgendeinen Wal von acht Schauspielern gespielt wurde. Ich saß neben der vierten Reihe auf meinem Rollator – ich hab nicht gemerkt, dass zweieinhalb Stunden vorbei waren. Ich war so glücklich, dass das möglich ist. Unglücklich war ich beim „Nackten Wahnsinn“: Der erste Teil war schön. Danach hat es der Luk Perceval überzogen, hat elektronische Musik da raufgelegt, alle haben geschrien. Wenn ich das derart überdrehe, kriege ich nichts mehr rüber.

Welche Häusern fühlen Sie sich am meisten verbunden?

Möbius: Natürlich dem Ernst Deutsch Theater dank Fiete Schütter. Ich finde die Arbeit von Isabella Vértes-Schütter hervorragend. Auch in „Scherben“ hat sie mir sehr gut gefallen, sie hat das ganz unschnulzig gespielt. Aber das Tollste war für mich Suzanne von Borsody in „Der letzte Vorhang“, das war unglaublich. Im Winterhuder Fährhaus bin ich auch gern. Nachdem ich dort Volker Lechtenbrink als „Der Mentor“ gesehen habe, glaub ich auch, dass er demnächst am Ernst Deutsch den schrulligen Elwood in „Mein Freund Harvey“ wird spielen können.

Was ist mit „Ihrem“ Schiff? Bis vor einem Jahr waren Sie lange nicht da ...

Möbius: Es läuft wieder gut. Geschäftsführer Heiko Schlesselmann hat ausverkaufte Vorstellungen. Mit dem künstlerischen Leiter Michael Frowin macht er das sehr gut. Er macht auch das Vernünftige, was bei uns sehr gut war: mal große Namen holen, Thomas Quasthoff zum Beispiel. Ich würde aber nie in eine Premiere gehen, dann würde es heißen: „Ah, Möbi ist auch da!“ Ich will mich als alter Kerl nicht einmischen. Es geht mir darum, dass unser Lebenswerk erhalten wird.

Und was ist bei Ihren Auftritten wichtig?

Möbius: Bis meine Frau die Sprache verlor, hat sie jeden Tag ein Gedicht gelernt. Wilhelm Buschs 2. Strophe „Beschränkt“ war ihr Lieblingsgedicht. Auch hier hat sie den Raum erfüllt. Das ist es auch, was ich in Altersheimen oder Seniorenresidenzen erzähle: Habt Mut! Redet nicht nur über eure Krankheiten: Das interessiert keinen. Setzt euch hin und lernt jeden Tag mal zwei Zeilen Gedicht oder etwas Ähnliches!

„Dem Wort eine Heimat. Geschichten. Gedichte, Balladen“ (96 S., 9,80 €, Klaus Schümann Verlag)