„Exit Marrakech“ ist eine wunderbare Vater-Sohn-Geschichte von Caroline Link

Söhne haben es oft schwer mit ihren Vätern. Und diese mit ihnen. Der Spross eines Theaterregisseurs zu sein, ist eine zusätzliche Aufgabe. Irgendwie ist auch Ben (Samuel Schneider) groß geworden, ohne dass Heinrich (Ulrich Tukur), das so recht mitbekommen hat. Davon, dass eine Annäherung nach vielen Jahren des Schweigens doch noch möglich sein kann, erzählt „Exit Marrakech“, der wunderbare neue Film von Caroline Link.

Meist geht das nicht ohne eine existenzielle Ausnahmesituation ab. Die führt den 17-Jährigen und seinen Erzeuger in den Sommerferien ausgerechnet im marokkanischen Marrakesch zusammen. Hier kochen die Dinge noch mal anders hoch. Der doch weitgehend auf sich gestellte Ben tappt da unbedarft in manche kulturelle Falle, sei es beim öffentlichen Cannabiskonsum oder beim Streifzug mit einer Barbekanntschaft aus dem horizontalen Gewerbe. In aller Unschuld, aber bald schwer verliebt, bezahlt Ben die schöne Karima (Hafsia Herzi) dafür, ihr beim Schlafen zusehen zu dürfen.

Als er ihr zu ihrer Familie ins unwirtliche Atlas-Gebirge folgt, ist die traditionsbewusste muslimische Familie naturgemäß wenig erbaut. Der Ausflug ist Auftakt zu einem Roadmovie in die Wüste, an deren Ende Ben und Heinrich nicht nur einige Hotelzimmer in abgelegenen Regionen teilen werden, sie werden Schicksalsgefährten, die sich am Ende auch keine noch so harsch ausgesprochene Wahrheit schenken. Aber wie heißt es so schön: Wer in die Wüste geht, kehrt als ein anderer zurück. Das gilt auch für diese beiden Männer.

Samuel Schneider als Ben ist eine echte Entdeckung. Und Ulrich Tukur gibt den Theatermann Heinrich als kolossal selbstverliebten Kotzbrocken. Beide werden am Ende eine Entwicklung vollzogen und ein wenig mehr Reife erlangt haben. Auch die Nebenrollen sind mit Josef Bierbichler als Schulleiter und Marie-Lou Sellem als Mutter toll besetzt.

Caroline Link ist bis heute die einzige Deutsche, die den Oscar für den besten fremdsprachigen Film nach Hause trug. Das war 2003 für „Nirgendwo in Afrika“. Seit dem ebenfalls erfolgreichen Nachfolger „Im Winter ein Jahr“ 2008 arbeitete sie an „Exit Marrakech“. Die Regisseurin und Drehbuchautorin nimmt sich gern Zeit. Ihre Gründlichkeit und ihr Sinn für Stoffe mit Tiefgang zeigt sich auch hier wohltuend. Mit Bella Halben an der Kamera steht ihr zudem eine ausgewiesene Könnerin zur Seite. „Exit Marrakech“ vereint ein gutes Drehbuch und eine inszenatorische Qualität, die man im deutschen Film leider zu selten findet.

Bewertung: empfehlenswert

„Exit Marrakech“ Deutschland 2013, 122 Min., ab 6 J., R: Caroline Link, D: Ulrich Tukur, Samuel Schneider, Marie-Lou Sellem, täglich im Abaton, Cinemaxx Damtor, Koralle, Passage UCI Mundsburg, Zeise; www.exitmarrakech.de