Eigentlich hat er sich recht gut gehalten in den vergangenen 400 Jahren, seit 1605 die erste Zeitung erschien – der Redakteur. Immer noch, hier ist die Automation machtlos geblieben, füllt er – oder sie – das Blatt mit Inhalt, mit Nachrichten, mit Hintergründen, mit Wissenswertem, mit Lustigem und auch mit Traurigem. Und doch hat sich einiges geändert an dem weit verbreiteten Bild des Zeitungsmenschenvon damals, der mit Block und Schreiber loszog in die Welt, dann mit flackerndem Blick Zeile um Zeile in die Schreibmaschine hackte und massenhaft Tippex verbrauchte (weiß eigentlich noch jemand, was das war?). Heute haben PC, Internet und Globalisierung den Job verändert, die Fülle an Informationen zwingt den Redakteur, stets auf der Hut zu sein im weltweiten Labyrinth der Wahrheiten, Irrtümer und Lügen.

Aber hat er einmal wohlbehalten den Weg zum Ausgang gefunden, dann ist es fast wie früher. Er taucht ab ins Meer der Wörter und Begrifflichkeiten, um das Monstrum namens „Text“ zu bändigen, sei es 15 oder 150 Zeilen lang. Dabei immer ein bisschen Messias, ein bisschen Kommissar X und ein bisschen Mutter Teresa. Und mit dem Wunsch, den Leser, dieses unbekannte Wesen, mitzunehmen auf die Reise durch das Leben mit seinen vielen Facetten. Geblieben ist aber auch, trotz PC und Korrekturprogramm, diese unterschwellige, nie versiegende Furcht des Redakteurs vor dem kleinen terroristischen a, das sich unbemerkt an die Stelle des kleinen o schleicht. Ebenso wie eine bis heute immer wieder fesselnde Erkenntnis – dass am Ende eines langes Tages doch wieder eine gute Zeitung dabei herausgekommen ist.

Jörg Schiffmann (56) war von 1984 bis 1993 Redakteur beim Abendblatt. Heute ist er Chef vom Dienst bei den „Lübecker Nachrichten"