Diese Familie stellte die höchsten Kirchenmänner und bestand doch nur aus Teufelsbraten: Die zweite Staffel „Borgia“ enthält jede Menge Todsünden.

Am Anfang war der Mord: Der Papst erdolcht zwei Männer. Sie haben ihm nichts getan, aber der Papst ist mental nicht so gut drauf, sein maroder Kirchenstaat zerbröckelt, sein toter Sohn spukt in seinem Gewissen herum, also sticht Alexander VI. zu.

Sein anderer Sohn, Cesare, beschäftigt sich derweil mit Sexspielchen. Eigentlich ist er Kardinal, aber Cesare läuft lieber nackt oder nur mit einem Schwert bekleidet durchs Bild und schmiedet Eroberungspläne.

Gleich zu Beginn der zweiten Staffel von „Borgia“ mit sechs neuen Folgen wird klar, was der Zuschauer zu erwarten hat: Gewalt, Sex und Intrigen. Eine etwas andere Dreifaltigkeit, von einer Serie über einen Papst in der Renaissance würde man sie nicht erwarten. Doch Alexander VI. war nicht irgendein Papst, sondern einer aus der Familie der Borgia, einer der mächtigsten Familien der Welt. Und einer der bösesten. Wer bei den Borgias zum Abendessen eingeladen wurde, leerte jedes Glas nur mit dem bitteren Beigeschmack der Angst. Es könnte Gift darin sein...

Der aus Spanien stammende Klan fasste im 15. Jahrhundert in Italien Fuß, sein strahlender Anführer war Rodrigo Borgia (1431–1503), der mindestens acht Kinder von verschiedenen Frauen hatte. Trinkgelage und Orgien waren so alltäglich wie korrupte Geschäfte, Ämterkauf und Vetternwirtschaft. Selbst als 70-Jähriger hielt sich der Machtmensch noch eine junge Mätresse, die die Römer „sposa christi“ (Braut Christi) nannten. Angeblich schlief Alexander VI. sogar mit seiner Tochter Lucretia, aber dieses Gerücht kann auch von einem seinen zahlreichen Feinde erdacht worden sein. Tatsache ist, dass es dieser schillernden Figur 1492 durch den Kauf von Stimmen gelang, auf den Heiligen Stuhl zu kommen. „Jetzt sind wir in den Fängen des vielleicht wildesten Wolfes, den die Welt je gesehen hat“, soll Giovanni de’ Medici nach der Papst-Wahl gesagt haben.

Hier liefert die Geschichte mehr brisanten Erzählstoff, als es sich der fantasiereichste Drehbuchautor ausdenken könnte. Die Figuren aus „Dallas“ wirken neben den „Borgias“ plötzlich wie die „Waltons“. Die erste Staffel der 25 Millionen Euro teuren Serie, die das ZDF im Oktober 2011 ausstrahlte, lief so erfolgreich, dass sich das Team dieses Mal noch mehr austoben durfte. Es wurde nicht nur in Tschechien gedreht, sondern auch an Originalschauplätzen in Italien und in den berühmten Cinecittà-Studios, wo beispielsweise erst aufwendig ein römischer Platz aufgebaut wurde, um ihn dann für eine Hochwasser-Szene komplett zu fluten.

Der Serienmacher Tom Fontana, der schon als Kind von der Machtfülle der Renaissance-Päpste fasziniert war, wollte mehr Elemente aus der damaligen Zeit präsentieren. Kunst und Kultur sollten eine größere Rolle spielen. So treten unter anderem Leonardo da Vinci, Nicolò Machiavelli und Michelangelo Buonarroti auf.

Die historischen Fakten bilden allerdings nur einen groben Rahmen für die Story. Im Zweifel wird zugunsten der Unterhaltung, nicht der Wahrheit entschieden. Dem Sehvergnügen tut dies keinen Abbruch. Stark wird die Serie durch ihre Darsteller. John Doman als Alexander VI. beherrscht ein mysteriös-dunkles Lächeln – fast wie eine böse Mona Lisa – und er durchläuft in den sechs Folgen die ganze Paletten der Emotionen: „Es wird eine Achterbahnfahrt. Erst ist er komplett am Boden, dann kehrt er zurück, um dann wieder zerstört zu werden“, sagt Doman über seine Rolle als intriganter Papst. Manchmal erinnert sein skrupelloses Spiel sogar an Marlon Brando. Habemus Paten.

Pech hatte die Produktion bei den Kostümen: Ein Truck mit mehr als 500 Kleidungsstücken stand plötzlich in Flammen, sodass der Chefdesigner in kürzester Zeit nachschneidern musste. Leider verbrannten nicht die albernen Kardinalshüte, die die Darsteller des Klerus etwas lächerlich wirken lassen. Aber der Zuschauer sieht auch goldene Rüstungen und coole Lederjacken, die jeder Aerosmith-Fan sofort bestellen würde.

Anziehen darf sie die interessanteste Figur der Serie: Cesare. Der Sohn des Klan-Chefs platzt auf der einen Seite fast vor Wut und Aggressionen. „Vorsicht, ich habe schon Männer für weniger getötet“, droht er seinem Gegnern. (Eine überflüssige Warnung, weil er ohnehin direkt danach zuschlägt.) Auf der anderen Seite meint Cesare, dass seine Absichten zwar kalt wie Eisen seien, sein Herz aber keineswegs, und er benutzt seinen Kopf nicht nur für Kopfnüsse. So zitiert er beispielsweise aus Marc Aurels Selbstbetrachtungen: „Wie viel Zeit spart sich ein Mensch, wenn er nicht darauf achtet, was sein Nachbar sagt?“

Der Querdenker Cesare ist ein gutes Beispiel seiner Epoche. In einer Zeit, in der Amerika entdeckt und der Buchdruck erfunden wird, stehen alle Zeichen auf Innovation, und so wagt es Cesare, Kirchenregeln zu hinterfragen und seinen Kardinalstitel abzulegen. Kein Mann zuvor hat das je getan. „Danach kann er endlich der große Feldherr werden, der er immer sein wollte“, sagt Mark Ryder, der den Cesare spielt. Zur Vorbereitung habe er viel im Fitnessstudio trainiert, erzählt der Schauspieler, und dass er schon als Kind jeden Tag in Rüstung und mit Schwert rumrennen wollte. „Mit ‚Borgia‘ wurde mein Traum war.“

„Borgia“ ab Montag, 30.9., 20.15 Uhr, ZDF