Der Schauspieler spielt in „Die Judenbank“ in den Kammerspielen alle Rollen

Der Schauspieler Peter Bause ist ein Phänomen. Mit 72 Jahren beherrscht er die Texte von sieben Stücken. Den Stoff für die nächste Premiere hat er sich in drei Wochen reingepaukt. Vom 1. Oktober an steht Bause in dem Solo „Die Judenbank“ von Reinhold Massag auf der Bühne der Hamburger Kammerspiele. Regie führt Hausherr Axel Schneider. Gemeinsam feiern sie seit Langem Erfolge. Zuletzt mit Theresa Walsers „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ und der Ödön-von-Horváth-Romanadaption „Jugend ohne Gott“.

Der Stoff fügt sich auf besondere Weise in die Geschichte des Hauses. „Die böse, tragische, auch humorvolle Geschichte fährt einem in die Kniekehlen“, sagt Bause. Der Dorfbewohner Dominikus Schmeinta sitzt am liebsten auf einer Bank in Bahnhofsnähe. Neuerdings geht das nicht, das Schild „Nur für Juden“ prankt dort. Schmeinta beschließt, einen Brief an den Führer zu schreiben und Jude zu werden.

„Massag durchleuchtet die Tragödie des Nationalsozialismus über einen bürokratischen Vorgang in einer Dorfgemeinschaft“, so Bause. Hierfür nutzt er eine falsche Hypothese, denn natürlich gab es nur Bänke mit der Maßgabe „Nur für Arier“. „Er führt mit einer gewissen Naivität durch das Stück, nimmt die Zuschauer an die Hand und sie besichtigen gemeinsam das Dorf.“

Der Autor räumt den acht Figuren Platz ein, sich darzustellen. Dem ehrgeizigen Neffen, der sich mit der verheirateten Nachbarin eingelassen hat, dem moralisierenden Sohn, der Ehefrau. Ein Kaleidoskop entfaltet sich aus Bekehrten, Mitläufern, Fanatisierten. Alle Figuren sind doppelbödig angelegt. Und alle werden von Bause verkörpert.

Der Sprung von einer Figur zur nächsten läuft über Körperlichkeit und leichte Nuancierung in der Stimme. Die Gefahr der Überzeichnung ist naturgemäß gerade bei den Frauenrollen groß. In der Sprache ist die süddeutsche Färbung getilgt. „Sprachwissenschaftlich Begabte erkennen hier einen Satzbau wie bei Brecht“, sagt Bause.

Dafür ist der Schauspieler, der seit 52 Jahren auf der Bühne steht, Experte. Bause, im ostdeutschen Gotha geboren, spielte acht Jahre am Deutschen Theater Berlin und 15 Jahre am Berliner Ensemble. „Da wurde man hineingeleitet in die Klugheit von Brecht, um sie immer wieder anzuwenden“, sagt er. Seit Peter Zadek und die Fünferbande das gesamte Ensemble gekündigt hatten – eine zunächst schmerzliche Erfahrung –, reist er mit großem Erfolg durch die Republik.

Schon früh entwickelte er eine Vorliebe für Solostücke wie „Der Kontrabass“ oder „Tagebuch eines Wahnsinnigen“. „Es ist grandios, wenn alles über den Kopf entsteht und man diese Bilder entwickeln kann“, erzählt Bause. An Rente denkt der Mime nicht. Warum auch. „Ich mache das aus reiner Freude an der Sache. Ich muss ja nicht mehr.“ Gute Voraussetzungen für ein weiteres großes Solo Peter Bauses.

„Die Judenbank“ Premiere Di 1.10., 20.00, Hamburger Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11, Karten T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de