Gisela Werler überfiel mit einem Komplizen Ende der 60er-Jahre in Hamburg mehrere Geldinstitute. Ein Roman und ein Film erzählen ihre Geschichte.

Hamburg. An den ersten Tagen der Gerichtsverhandlung trug sie ein knallgelbes Jerseykleid. Gisela Werler wusste, was sie der Öffentlichkeit schuldete. Schließlich wurde sie als „Banklady“ berühmt. Ein Kosename, in dem Respekt mitschwingt. Der Duft der weiten Welt. Gewöhnliche Kriminelle haben eher Panzerknacker-Spitznamen. Auf gutes Benehmen hinter vorgehaltener Waffe achten sie weniger. „Entschuldigen Sie, aber das ist ein Überfall!“ oder „Würden Sie bitte alles Geld einpacken!“ – mit diesen Sätzen hielt die Banklady in den 1960er-Jahren Hamburgs Polizei und die Öffentlichkeit in Atem. Sie war ein Phantom. Ein Mythos. Ein Medienphänomen, bevor dieser Begriff ernsthaft existierte.

Einen weiblichen Bankräuber konnten sich die Leute so wenig vorstellen wie einen fahrradfahrenden Elefanten. Am 7. Februar 1969 wurde Gisela Werler wegen Raubes in acht und Beihilfe in zehn weiteren Fällen zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Rund 400.000 Mark hatten sie und ihre Komplizen bei den Überfällen erbeutet; ein Teil der Beute ist bis heute nicht aufgetaucht.

„Gisela Werler war eine einfache Frau. Ich glaube nicht, dass sie sich klar gemacht hat, dass sie ein schweres Verbrechen begeht“, sagt Claudia Kühn. Die Autorin hat einen Roman über die erste deutsche Bankräuberin geschrieben, die in Altona lebte, in einem Tapetengeschäft in der Innenstadt arbeitete und in Eidelstedt die erste Bank überfiel. Die Geschichte Gisela Werlers ist auch ein Stück Hamburger Kriminalgeschichte. Eine Art Bonnie-&-Clyde-Schicksal aus Norddeutschland. Abzüglich der Gewaltorgien.

Dass das Leben oft die ungewöhnlichsten Geschichten schreibt – die viel zitierte Behauptung trifft auch auf Werlers Verbrecherkarriere im Zeitraffer zu. Weshalb es einigermaßen erstaunlich ist, dass sich das Fernsehen erst jetzt aufgemacht hat, ihr Leben auf die Leinwand zu bringen, in dem so vieles steckt: Liebe, Emanzipation, krimineller Höhenflug. Der Film von Regisseur Christian Alvart, an dem auch der NDR beteiligt ist, wird im März 2014 ins Kino kommen. Beim kommenden Filmfest Hamburg soll er seine Premiere feiern. Parallel zu den Dreharbeiten hat sich Claudia Kühn in Archivmaterial vergraben, Zeitungsartikel, Ermittlerakten, Fahndungsfotos ausgewertet. „Mich hat von Anfang an die Vorstellung einer Frau fasziniert, die ihren eigenen Weg sucht. Die tut, was keiner ihr zugetraut hätte und der, wenigstens für kurze Zeit, der Ausbruch aus einer kleinbürgerlichen Welt gelingt“, sagt sie.

In der Tat stammte Werler aus einfachen Verhältnissen. Auf der Arbeit schnitt sie mit Sonnenuntergängen bedruckte Tapetenbahnen zurecht und träumte von Capri, Meeresrauschen und italienischem Temperament. Dabei lebte sie mit über dreißig Jahren noch bei ihren Eltern im Kinderzimmer. Die Perücken, mit denen sie sich bei den Überfällen kostümierte, versteckte sie im Kleiderschrank. Die kriminelle Laufbahn war für Werler auch ein Weg, sich aus dem Klammergriff ihrer Herkunft zu befreien. Dem Spießerleben durch die Hintertür zu entschlüpfen. Sie sei nicht nur des Geldes wegen bewaffnet in Banken marschiert, die Schenefelder Kreissparkasse, die Kreissparkasse Stormarn in Billstedt und die Bad Segeberger Sparkasse, sagt Autorin Kühn. Obgleich es natürlich reizvoll war, sich in ungewohnt teure Kleider zu hüllen.

Wie das Mädchen von nebenan zur Bankräuberin wurde? Claudia Kühn glaubt: Die Liebe war schuld. Hermann Wittorff war ein verheirateter Familienvater, notorisch verschuldet und mit dem nötigen Übermut gesegnet, für Besseres im Leben bestimmt zu sein. Er war Gisela Werlers große Liebe. „Der Deal bestand darin, dass sie mit ihm zusammen Banken überfiel und ihn dadurch ein Stück an sich binden konnte“, sagt Kühn. Später im Gefängnis heirateten Werler und Wittorff und lebten bis zu ihrem Tod 2003 in bescheidenen Verhältnissen in Altona. Wegen guter Führung war Werler vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Gutes Benehmen, Eins-a-Manieren konnte ihr wahrlich keiner absprechen.

Claudia Kühn beginnt den Roman „Banklady“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch) mit einer wilden Verfolgungsjagd. Gisela Werler und Hermann Wittorff sind in ihrem weißen VW-Käfer auf der Flucht vor den Polizeiwagen. Es soll ihr letzter gemeinsamer Überfall sein. Sie haben hoch gepokert und verloren. Nach fünf Jahren Täter-Rätselraten ist die Banklady enttarnt. Lange kannte man sie nur von Fahndungsfotos, von Zeichnungen in den Hamburger Zeitungen und klangvollen Überschriften wie „Die Banklady mit den hübschen Beinen“.

„Dass sogar die Zeitungen schrieben, dass an ihr etwas schön war, kam Gisela unglaublich vor“, schreibt Autorin Kühn. Einen Überfall bestritt Werler mit Riesensonnenbrille, krokoledernen Pumps und einer wasserstoffblonden Perücke im Marilyn-Stil. Eine Bankräuberin im Diva-Kostüm. Mit diesem Bild verbindet man sie bis heute. Ob die Frau hinter der Verkleidung, ob Gisela Werler glücklich war mit ihrem Leben auf der Überholspur, auf diese Frage findet auch der Roman keine endgültige Antwort. Claudia Kühn sagt: „Vielleicht.“