In der ZDF-Komödie „Uferlos!“ spielt Hannelore Hoger eine resolute Widerstandskämpferin im Brandenburgischen

Der Leichenwagen fährt vor, um den alten Ludger abzuholen. „Er war der beste Nachbar, den man sich vorstellen kann“, sagt Marlies Gottlieb über den Toten. „Aber der hat doch nur im Bett gelegen“, entgegnet die Postbotin. „Eben.“ Marlies Gottlieb (Hannelore Hoger) will ihre Ruhe. Die ehemalige Hebamme lebt auf einem idyllischen Grundstück an einem See irgendwo im Brandenburgischen. Der alte Ludger hat sie nicht gestört und auch sonst kommt der Hobby-Ornithologin auf ihrem Grund und Boden niemand in die Quere. Ein Zaun verhindert den öffentlichen Zugang zum See. Doch dieser Zaun ist seit Jahren der Zankapfel in der kleinen ostdeutschen Gemeinde. Der Bürgermeister (Götz Schubert), zu Marlies’ Unwillen auch noch ihr Schwiegersohn, möchte einen Weg über Gottliebs Grundstück anlegen, um am See einen Ferienpark zu errichten. Doch die streitbare Marlies wehrt sich mit allen Mitteln dagegen – zur Not mit Modderfallen und Gülleüberschwemmungen.

„Uferlos!“ heißt die Komödie, die Silke Zertz geschrieben hat und die der renommierte Kino- und Fernsehregisseur Rainer Kaufmann („Die Apothekerin“, „In aller Stille“) in Szene gesetzt hat. Das Buch nimmt seinen Witz aus den vielen Gegensätzen, die Zertz für ihren Plot benutzt hat: Der Wessi-Idealismus der Protagonistin zum Beispiel steht gegen den Gemeinschaftssinn der in der DDR groß gewordenen Dorfbewohner, die sich wieder einmal als Wendeopfer überfahren fühlen.

Aus einer anderen Welt kommt auch Marlies neuer Nachbar. Deutsche Menschenfeindin trifft auf schwedischen Libertinär. Mikkel (Rolf Lassgard) begegnet Marlies anfangs zwar freundlich und aufmerksam, aber Konflikte sind unvermeidlich. Durch Mikkels Katze, für die Vögel fliegendes Futter sind, oder die Mittsommernachts-Feier, die zur Orgie inklusive nächtlichem Nacktbaden ausartet. Da ist es mit Marlies’ mühsam aufrechterhaltener Contenance vorbei: Die schlafende Katze stößt sie in einem Ruderboot auf den See hinaus, ein paar silberne Damen-Pumps schmilzt sie mit einem Bunsenbrenner ein. „Was bist du nur für ein Mensch?“, schreit Mikkel ihr entgegen, bevor er sich in den See stürzt, um seine Katze zu retten.

Obwohl das ganze Dorf inklusive der eigenen Tochter Lia (Julia Brendler) sich gegen Marlies stellt, steht sie doch für die gute Seite. Bei einer Bürgerversammlung in der Kirche entlädt sich der Zorn des Dorfes. „Sie wollen doch nur baden gehen“, verniedlicht der Bürgermeister das Anliegen der Gemeinschaft. „Sie werden Bäume fällen, Brutplätze vernichten, in den See pinkeln, einen Abenteuerspielplatz bauen und dieses Idyll zerstören, das 60 Jahre lang unangetastet war“, kontert Marlies. Es geht bei dem Uferweg eben nicht nur um eine Badestelle für die Dorfbewohner, sondern um den Konflikt zwischen Naturschutz und Arbeitsplätzen, es geht um Geld. Hinter der randlosen Brille des Bürgermeisters flackern die Eurozeichen, denn Berlin ist nicht weit und sein Dorf ein idealer Ausflugsort für die Großstädter.

Kaufmann hat diese Nachbarschaftskomödie mit leichter Hand inszeniert und seiner Protagonistin eine Reihe schnoddriger Sätze in den Mund gelegt. „Hör auf zu denken, das steht dir gar nicht“, bügelt Marlies zum Beispiel die hübsch aufgebrezelte Postbotin (Nadja Petri) ab.

Die Orgie mit Mikkels Familie – drei Ex-Frauen, acht Kinder – und den Dorfbewohnern ist mit viel Augenzwinkern über schwedische Freizügigkeit inszeniert, die Demonstration gegen Marlies’ Zaun ist jedoch zu viel des Guten. Mit Sprüchen wie „Wir sind das Dorf“ und „Unser Weg ist das Ziel“ marschieren die Dörfler mit Transparenten und blauen „Uferlos!“-T-Shirts auf. Von der Wasserseite nähern sie sich mit einem Floß der umstrittenen Badestelle. Die Bezugnahmen auf die Leipziger Demos Ende der 80er-Jahre gegen das DDR-Regime und auf Greenpeace-Aktionen zu See wirken jedoch übertrieben und unangemessen.

Eine glückliche Hand hatte das Produktionsteam bei der Auswahl der Schauspieler, vor allem bei Hannelore Hoger. Kaufmann und Hoger kennen sich von gemeinsamen Arbeiten für die „Bella Block“-Krimis. Hoger agiert hier etwas zurückgenommener als bei der Hamburger Kommissarin, ihre Pointen setzt sie jedoch genau so. Sie grantelt in der für sie typischen Art, doch spielt sie die Marlies als nachdenkliche Figur, die über Geschichte und Zukunft reflektiert. Ihre Marlies nimmt klare Haltung ein: „Dieses Paradies darf nicht zu einem armseligen Freibad verkommen“, sagt sie. Rolf Lassgard, vielen Zuschauern als Kommissar Wallander aus den Henning-Mankell-Verfilmungen bekannt, ist Hogers Gegenüber. Beide standen schon zusammen in dem Afrika-Drama „Ellas Geheimnis“ und in der Bella-Block-Folge „Das schwarze Zimmer“ vor der Kamera. Regie führte jeweils Rainer Kaufmann.

Lassgard muss in „Uferlos!“ den Freigeist und Lebemann geben. Das funktioniert nur bedingt, Lassgards Lockerheit wirkt oft etwas gekünstelt. Grandios ist jedoch der Klingelton seines Handys. Immer wenn Boney M.s „Ma Baker“ ertönt, ist Mikkels Ex-Freundin am Apparat. Das zieht jedes Mal einen Wutausbruch auf Schwedisch nach sich. Gut, dass der Zuschauer nicht versteht, was Lassgard in sein Telefon brüllt, es klingt nach einem Sturzbach von Schimpfwörtern.

Unterm Strich ist „Uferlos!“ angenehme Fernsehunterhaltung mit einer herausragenden Hannelore Hoger und einem eindeutigen Credo ihrer Filmfigur: „Wer keine Nachbarn hat, braucht auch keine Zäune.“

„Uferlos!“ heute, 20.15 Uhr, ZDF