Fanny Ardant brilliert in der leichtfüßigen Tragikomödie „Die schönen Tage“

In der Vorstellung von Caroline (Fanny Ardant) ist ein Seniorenclub die Hölle auf Erden, vor allem, wenn er auch noch vermeintlich lebensbejahend „Die schönen Tage“ heißt. Mit Anfang 60 hat sie zwar vorzeitig ihren Beruf als Zahnärztin an den Nagel gehängt und die Töchter meinten es sicher gut, als sie ihr für die nun gewonnene Freizeit ein Schnupperabo in jenem Club schenkten. Doch eigentlich steht Caroline mitten im Leben, ihre Ehe mit Philippe (Patrick Chesnais) läuft solide und ist von gegenseitigem Respekt geprägt, auch wenn er vom Vorruhestand nicht viel wissen will. Was soll ausgerechnet sie da bei den Alten mit Töpfern und Tanzkursen Zeit totschlagen? Schließlich geht sie in einen Computerkursus, bei dem sie mehr lernt als erwartet. Denn der junge Kursleiter Julien (Laurent Lafitte) macht ihr schnell eindeutige Avancen. Sie lässt sich noch am selben Tag auf dem Rücksitz seines Wagens darauf ein, wohl wissend, dass sie nicht die einzige Affäre des Frauenhelden ist, der ihr Sohn sein könnte. Sie genießt das unverbindliche Glück in vollen Zügen und blüht sichtlich auf.

Vielleicht kann solch ein Film nur aus Frankreich kommen, wo man mit Charme und ohne Moralkeule vom sanften Ausbruch aus bürgerlichen Konventionen erzählen kann, ohne in Plattitüden abzugleiten. Und sehr wahrscheinlich kann auch nur eine Regisseurin wie Marion Vernoux so entspannt die Geschlechterverhältnisse umkehren und der reifen Heldin einen jungen Liebhaber zur Seite stellen. Diese Caroline ist keine vernachlässigte Ehefrau, sondern trifft ihre Entscheidungen im vollen Bewusstsein. Vernoux zeigt das, ohne zu werten oder zu entschuldigen. Das ist weniger Lebenskrise oder Torschlusspanik, Caroline hat Lust auf eine Affäre, nichts weiter. Und warum auch nicht?

Fanny Ardant jedenfalls ist hinreißend als leicht frustrierte Frührentnerin, die einen zweiten Frühling erlebt. Es ist eine Freude, ihr dabei zuzuschauen, wie sie sich voller Neugierde und ohne falsche Scham auf das Abenteuer einlässt, wieder zu rauchen anfängt und das Leben genießt. Auch wenn das heißt, zu Hause immer häufiger Lügen und Fertigpizza aufzutischen, worauf der Ehemann zunehmend skeptisch, aber mit lakonischer Ironie reagiert. Denn das Schöne an diesen „Tagen“ ist, dass am Ende niemand wirklich leidet oder für sein Handeln bestraft wird. Die Liebe ist, zumindest hier, nur ein Spiel.

Bewertung: empfehlenswert

„Die schönen Tage“ F 2012, 94 Min., ab 12 J., R: Marion Vernoux, D: Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais, täglich im Holi, Zeise; www.die-schoenen-tage.de