Die Sopranistin Olga Peretyatko, Ex-Mitglied des Hamburger Opernstudios, hat ihre zweite CD „Arabesque“ veröffentlicht. Disziplin und die Konzentration auf Wesentliches hat Peretyatko beim Karate gelernt.

„Das ist schon eine Vitrine hier“, sagt Olga Peretyatko, einen Tag nach ihrem Debüt als Giunia in Mozarts „Lucio Silla“ bei den Salzburger Sommerfestspielen. Nette, entlarvende Formulierung, mit der die Russin da aufwartet, und es wird nicht die einzige bleiben an diesem brüllend heißen Nachmittag im Festspielbezirk. Hin und wieder wird sie die Dinge ähnlich direkt auf den Punkt bringen. Darin ist sie mindestens so gut wie in den vielen Belcanto-Partien, die sie in den letzten Jahren international ins Gespräch und ins gut dotierte Geschäft mit kostbaren Koloratur-Girlanden gebracht haben.

2014 wird Peretyatko an der New Yorker Met als „I Puritani“-Elvira debütieren. 2009 hatte ihr der Met-Chef Peter Gelb zunächst die Fiakermilli in Strauss’ „Arabella“ als Einstand angeboten. „Wunderbar“ fand sie das, aber, mit Verlaub, auch „viel zu klein. Doch man kann der Met ja nicht sagen: Das gefällt mir nicht.“ Also geduldete sie sich. 2012, nach guten Kritiken aus Boston, meldete sich Gelb bei ihr und erhöhte das Angebot, auf die Elvira. Na bitte, geht doch. „Es kommt langsam alles, man muss nur warten.“

Auf dem Tisch liegt die zweite Recital-CD. „Arabesque“, eingespielt mit dem NDR Sinfonieorchester. Erneut ein bunter Teller, Leckereien von hier, da und dort. Mozart als klassische Vorspeise, Raritäten von Rossini oder Bizet, Bravour-Portionen von Bellini, etwas Gounod, Arditis Tränchentreiber „Il Bacio“, etwas saftiger Verdi und als Soubretten-Soufflé das „Spiel ich die Unschuld vom Lande“ aus Strauß’ „Fledermaus“. Viel Schönes ist dabei, elegant und effektsicher gesungen und derart charmant von Herzen kommend, dass die Bühnenpräsenz auch bei diesen Studio-Aufnahmen immer mitklingt. Hochglanz-Material, schöne Stellen satt, deswegen aber nicht unschön schwer im Magen liegend.

Ist das nicht ein bisschen viel Unverbindlichkeit, apart verpackt in tolle Fotos und mondäne Roben? „Das ist eine politisch unkorrekte Frage, deswegen werde ich sie politisch korrekt beantworten“, kontert Peretyatko, dezent amüsiert. „Wir haben an jeden Hörer und an jeden Geschmack gedacht. ,Insalata russa‘ kam als Titel nicht infrage. Was ich haben wollte, hatte ich.“ Anders betont: Was ich nicht mehr will, passiert nicht mehr. Deswegen ist auch, im Gegensatz zum Erstling „La bellezza del canto“, kein Puccini dabei. „Puccini hat alles immer schon vorgeschrieben. In der ,Bohème’ weinen alle an der gleichen Stelle: wenn Mimi stirbt. Alle weinen dann, ich auch. Musetta interessiert mich wirklich nicht. Dann lieber warten und die Mimi singen.“ Oder, viel lieber, Rossini.

Reizend sieht die Sopranistin aus, reizend gibt sie sich. Wichtig soll ihr das beliebte Stimm-Verkaufsargument Optik aber nicht sein: „Vom dritten Rang sieht man gar nichts. Du musst einfach singen und damit überzeugen.“ An den Details ihres charmanten Plaudertons wird subtil klar, dass Olga aus St. Petersburg, Tochter eines Choristen am Mariinskij-Theater, sich sehr flott in La Peretyatko verwandeln könnte, sobald ihr nach etwas mehr Diva im Auftritt wäre. Als der Kellner ihr das Wasser mit Eis, aber ohne Limonenscheiben bringt, darf er sich sofort erneut auf den Weg machen. Als er devot eine Scheibe nachliefert, kommt die Nachfrage, warum nur eine, während im Glas des Gesprächspartners doch zwei treiben. Ganz nebenbei erwähnt die 1980 geborene Sängerin, dass sie drei Agenturen hinter sich habe, jetzt aber, bei Nummer vier, sei alles, endlich, so, wie sie es für angemessen hält.

Deswegen scheint Peretyatko auch bei eher modernen Regietheater-Konzepten, die sie nicht goutiert, gern Einspruch einzulegen, falls jemand glaubt, sie müsse Dinge tun oder dulden, die das Libretto nicht direkt hergibt. Das Lieblingswort lautet dann: „Warum?“ „Wenn es Sinn macht und der Regisseur mich überzeugt, mach ich’s gern. Einige Male war ich überzeugender als der Regisseur. Und wir haben das Konzept wieder geändert“, erklärt Peretyatko, mit kategorischem Unterton. „Ich will nicht streiten, aber: sprechen.“

Ausgiebig singen und nicht vor allem auf der Reservebank herumsitzen wollte sie nach ihrer Studienzeit an der Berliner Hanns Eisler-Musikhochschule während der Azubi-Zeit im Opernstudio der Hamburgischen Staatsoper. Es sei wunderbar gewesen dort, sagt Peretyatko, „aber ich habe mir mehr erwartet“. Sie begann dort zur gleichen Zeit wie Generalmusikdirektorin Simone Young. Deren Vorgänger Ingo Metzmacher habe dem Nachwuchs alle möglichen lohnenden Partien gegeben. „Bei Simone ist das nie passiert. Das war für uns frustrierend.“ Seit 2007, nach diesen prägenden Erfahrungen, ist sie frei von Ensemble-Sachzwängen, und das würde sie gern möglichst lang bleiben. „Das bietet mehr Freiheiten und größere Auswahl.“ Im November, nach einer „Zarenbraut“-Serie an der Berliner Staatsoper, wird sie wieder in Hamburg im Rampenlicht stehen. Zerbinetta in Strauss’ „Ariadne auf Naxos“. Young, die Chefin von damals, dirigiert nicht.

Disziplin und die Konzentration auf Wesentliches hat Peretyatko beim Karate gelernt, vor ihrem „Silla“-Marathon am Vorabend war sie „ruhig wie ein Panzer“. Wenn sie so virtuos weitermacht wie bisher, auf der Bühne und dahinter, mit dem Glänzen in höchsten Lagen und dem Rest ihrer Karriereplanung, wird Olga Peretyatko garantiert ähnlich unaufhaltsam sein.

CD: „Arabesque“ Olga Peretyatko, NDR Sinfonieorchester, Enrique Mazzola, (Sony Classical)