Fernsehstar Gerit Kling hat in Carsten Golbecks Monolog „Oben bleiben!“ in den Kammerspielen gleich doppelt Premiere

Kammerspiele. Der Saal ist dunkel, nur das Technikpult leuchtet. Und auf der Bühne das Kleid einer Frau. Mit übereinander geschlagenen Beinen sitzt sie in einem Lederstuhl. Die Techniker benötigen mehr Zeit als gedacht, um die nächste Szene vorzubereiten, die Schauspielerin erhebt sich. Ein zeitweiliger Abgang und Zeit für ein Pausengespräch mit Gerit Kling.

Die vor allem als Film- und Fernsehschauspielerin bekannte Frau arbeitet regelmäßig in Hamburg, seit sie 2007 eine Hauptrolle in der ZDF-Polizeiserie „Notruf Hafenkante“ übernommen hat. Auf einer hiesigen Bühne jedoch stand Gerit Kling noch nie. Insofern ist die Uraufführung von „Oben bleiben!“ in den Kammerspielen für die Darstellerin gleich eine doppelte Premiere. Und die muss sie – zumindest oben im Scheinwerferlicht – ganz allein bestehen. Das Stück von Carsten Golbeck ist ein Monolog.

„Für mich ist das eine große Herausforderung, in der ich viele Facetten rausarbeiten kann“, sagt Gerit Kling. Statt in den Weißkittel als Internistin Dr. Jasmin Jonas wie in der ZDF-Serie schlüpft sie in das ihre schlanke Figur umschmeichelnde verhalten rote Kleid. Die Schauspielerin Gerit Kling spielt die Schauspielerin Vera Landis. Die ist knapp 50 Jahre alt, steht kurz vor der Premiere ihres Stücks „Die Überlebende der Titanic“, wartet aber noch auf ihren Spielpartner – ihren Ex-Ehemann Tom –, sucht verzweifelt ihre Garderobe und landet auf der Hinterbühne. Davor aber sitzt das Theaterpublikum.

„Oben bleiben!“ sei ein „zeitgemäßes und hochpolitisches Stück“, sagt Kling bei Apfelsaftschorle und Cappuccino. „Es geht ums Aussortiertwerden, um die Angst vor dem Älterwerden und damit verbundene Existenzängste“, erläutert die Schauspielerin. Das alles „auf humorige und überdrehte Art“.

Wie viel von Gerit Kling, 1965 im thüringischen Altenburg geboren, steckt in der Rolle? Zumal die Protagonistin Vera außer ihrer Theaterkarriere noch der geplatzten „Die Überlebenden der Titanic“-Premiere am 9. November 1989 nachtrauert, weil damals keiner kam. Gerit Kling erzählt, dass sie am Tag, als sich die Mauer öffnete, 14 Stunden lang im Auffanglager Wackersdorf in Bayern nach Papieren anstand. Mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Anja, ebenfalls Schauspielerin, war sie aus der damaligen DDR in den Westen geflüchtet: „Ich wollte nicht mein ganzes Leben lang eingesperrt sein.“

Schon am 12. November fuhr Gerit Kling ob der überraschenden Entwicklung zurück nach Schwerin, wo sie am Mecklenburgischen Staatstheater engagiert war. Es gab zwar ein Disziplinarverfahren, und sie musste zur Strafe vier Wochen lang Ankleidedienst machen, konnte aber anschließend wieder spielen. Nach Schwerin am Staatstheater Nürnberg, ehe bald darauf in Saarbrücken Probeaufnahmen für „Die Gerichtsreporterin“ folgten. Für die Schauspielerin war es 1994 der Einstieg ins gesamtdeutsche Seriengeschäft. „Die ARD hat mich quasi aus dem Theater rausgeboxt“, sagt Gerit Kling.

„Die Rettungsflieger“, Fahrten „Unter weißen Segeln“ oder auf dem „Traumschiff“ sicherten ihr ein gutes Einkommen. Mit jener Arbeit jedoch ergeht es Gerit Kling manchmal wie zahlreichen Kolleginnen oder der Vera: Sie füllt zwar die Rolle aus, die Figur aber nicht die Schauspielerin. Und so arbeitet Kling mit Autor Golbeck und der ihr vertrauten Regisseurin Katja Wolff, die in der Komödie Winterhude bereits die Speeddating-Komödie „Shoppen“ inszeniert hatte, nun an den Kammerspielen: „Wir sind als Paket an das Haus herangetreten“, erzählt sie.

Die Kammerspiele kannte und mochte Gerit Kling bisher nur als Besucherin. „Ein gutes Zusammenspiel zwischen Publikum und Schauspieler ist bei einem Monolog wichtig“, meint sie. Und ihre ersten Erfahrungen mit Auszügen von „Oben blieben!“ bei der Hamburger Theaternacht haben sie ermutigt: Das Publikum habe sich „totgelacht“. Szenen, die bei „Notruf Hafenkante“ wohl kaum zu erleben sind. Mt Gerit Kling startet am 26. September bereits die achte Staffel. In der Serie trägt sie wieder den weißen Arztkittel. Nun aber muss die Frau im verhalten roten Kleid allein auf der Bühne glänzen, die Probenpause ist zu Ende. Die Zeit, sich technisch und vom Sprechtempo her einzurichten, will genutzt sein.

„Oben bleiben!“ Premiere Di 17.9., auch So 22./Mo 23.9. u. ab 8.10., 20.00, Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstr. 9–11, Karten zu 20,- bis 42,-: T. 413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de