Arnaud des Pallières verlegt sein Historiendrama „Michael Kohlhaas“ nach Frankreich

Naturalismus und Reduktion im Kino sind nicht jedermanns Sache. Zu angedeutet, zu bedächtig, zu spannungsarm lauten in etwa die Vorwürfe. Meisterwerke wie Kelly Reichardts entschleunigter Western „Meek’s Cutoff“ oder Andrea Arnolds suggestiv-atmosphärische Neuinterpretation von „Wuthering Heights“ verlangen dem Zuschauer tatsächlich viel Sensibilität ab. Gängige Dramaturgie-Muster wie Spannungsbögen greifen nicht, stattdessen stehen prononcierter Realismus, meditative Elemente und ein hohes Maß an Naturwahrnehmung im Vordergrund.

Auch der Ansatz des Franzosen Arnaud des Pallières ist freie Verdichtung. Zudem hat Pallières bei der Adaption von Kleists berühmter Novelle „Michael Kohlhaas“ einige Änderungen vorgenommen: Die Handlung aus dem 16. Jahrhundert verlegt er von Brandenburg und Sachsen in die raue Landschaft der südfranzösischen Cevennen. Um seine Titelfigur aus ihrer „zu großen heldenhaften Einsamkeit“ zu lösen, stockt des Pallières außerdem das Ensemble auf.

Dass Superstar Mads Mikkelsen die Titelrolle eines „der zugleich rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ spielt, hat dem Film nicht nur viel Aufmerksamkeit beschert, sondern darf neben der bildgewaltigen, entschleunigten Inszenierung auch als Hauptattraktion gelten.

„Mir schwebte eine Art Western vor. Ein Film, in dem Geschichte, Figuren, ihre Gefühle, ihre Art der Anpassung an die Natur und die Präsenz von Tieren bestimmend sind“, sagt der Regisseur über seinen „Kohlhaas“.

Und so stoisch, würdevoll und unerbittlich wie einst Clint Eastwood gibt der schöne Däne den Rosshändler, der sich im Widerspruch von Recht und Gerechtigkeit, Freiheit und Unterdrückung, von Verbrechen und Selbstjustiz verliert.

Der Strudel von Gewalt nimmt seinen Lauf, nachdem Kohlhaas zwei edle Rappen an den Baron (Swann Arlaud) verliert, vor Gericht klagt, die Klage abgewiesen wird und schließlich seine Frau (Delphine Chuillot) bei dem Versuch, in der Angelegenheit bei Hof vorzusprechen, getötet wird.

Bis zum Gang auf das Schafott folgt Kohlhaas seinem Gerechtigkeitssinn, seinen Weg dorthin zeichnet des Pallières als gelungene Gratwanderung zwischen Psychogramm, dem verstörenden Ernst des Stoffs und seiner bis heute gültigen sozialen Brisanz.

++++- „Michael Kohlhaas“ Frankreich/Deutschland 2012, 122 Min., ab 12 J., R: Arnaud des Pallières, D: Mads Mikkelsen, Bruno Ganz, David Kross, täglich im Koralle, Passage, Studio; michaelkohlhaas-derfilm.de