Das ehrenamtlich geführte Forum für Nachlässe feiert seinen zehnten Geburtstag mit Ausstellung und Symposium im Staatsarchiv

Hamburg. Künstler sind meistens keine begnadeten Manager und Selbst-Vermarktungs-Genies. Und reich sind sie auch nur selten. So kommt es, dass ihre Werke nach ihrem Tod oft in der Familie bleiben. Immer dann, wenn mal wieder bei Gora Jain das Telefon klingelt, hat sie jemanden am Apparat, der mit einem solchen Nachlass überfordert ist. Wohin mit Gemälden, Skulpturen, Installationen, Assemblagen von Künstlern, die früher mal den Edwin-Scharff-Preis oder die Biermann-Ratjen-Medaille bekommen haben und heute nur noch wenigen bekannt sind? Oder mit großartigen Werken, die überhaupt noch nie öffentlich zu sehen waren?

Für diese Fälle hat eine Handvoll bewundernswerter, bis heute ehrenamtlich arbeitender Kunstfreunde und Fachleute, darunter Gora Jain und Thomas Sello (ehemals Hamburger Kunsthalle), das Hamburger Forum für Nachlässe gegründet, das jetzt sein zehnjähriges Jubiläum mit einer Ausstellung im Staatsarchiv begeht. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen Künstler, Kunstvermittler, Museumsleute, Archivare, Sammler, Galeristen, Juristen und Kunstwissenschaftler wie Gora Jain, die im Hauptberuf an der Hochschule für Bildende Künste unterrichtet.

Hier geht es um gute Kunst, zusammenhängende Werkkomplexe und darum, diesen vernachlässigten Teil des kulturellen Erbes nicht nur aufzubewahren, sondern etwas Sinnvolles damit zu tun. Es geht um Hinterlassenschaften wie Gabriele Quasebarths wirkungsmächtige, farbsatte Malerei, die das Thema der Figur im Raum in immer neuen Selbstbildnissen variiert, oder die ebenso wuchtigen wie tastenden Selbstvergewisserungs-Versuche des im ostdeutschen Gefängnis schwer misshandelten Karl-Heinz Westphal. Es geht um die abstrakten, collagenhaften Konstruktionen von Alexandra Povórina oder das große (Presse-)Archiv der Fotografin Ingeborg Sello.

Sicher. Manchem sieht man die Zeit an, in der es entstanden ist. Anderes erscheint wie gestern getrocknet. Der Maßstab für eine Aufnahme ist Qualität, und die Sicht auf Epochen und ihre Hervorbringungen ändert sich stetig. Beredt ist der Katalog, den das Hamburger Forum für Nachlässe jetzt zu seinem zehnjährigen Jubiläum vorgelegt hat. Er zeigt eine kleine Auswahl dessen, was die Initiatoren bewahrt haben, und Jahr für Jahr haben sie die Bilder, Grafiken, Skulpturen, Materialassemblagen oder Bildteppiche durch Ausstellungen und Kataloge wieder ans Licht der Öffentlichkeit geholt. Wären diese mittlerweile rund 30 Nachlässe nicht durch diese Leute gerettet worden, hätten sie sich wahrscheinlich in alle Winde verstreut oder wären einfach im Müll gelandet.

Hier im Niendorfer Künstlerhaus Sootbörn, wo der Verein Räume von der Stadt angemietet hat, haben die Werke ein einstweiliges, wenn auch immer engeres Zuhause gefunden. Es drängt sich die Frage auf, warum die Stadt dafür überhaupt Miete verlangt. Ein wichtiger Teil der Arbeit im Forum ist, dass die Nachlässe auch wissenschaftlich aufgearbeitet und digital erfasst werden. Gelagert werden sie noch an weiteren Orten, doch hat sich bis heute nichts daran geändert, „dass wir von der Hand in den Mund leben“, sagt Gora Jain. Barbara Kisseler indes findet für die Arbeit des Forums bewundernde Worte im Katalog: „Als Kultursenatorin dieser Stadt bin ich stolz darauf, dass diese Idee, in Hamburg geboren, inzwischen in Deutschland viel Beachtung und vor allem auch Nachfolger gefunden hat.“ Auch hofft sie, „dass möglichst bald die Raumnot gelindert werden kann.“

Die 20 aktiven Mitglieder des Vereins (45 Euro Jahresbeitrag, insgesamt 75 Mitglieder) haben längst ein fertiges Konzept für einen besseren Standort in der Schublade: „Ideal wäre, alles unter ein Dach zu bringen. Mit zwei, drei integrierten Ateliers für junge Künstler. Wenn die Räumlichkeiten und die Grundausstattung stehen, können wir sofort loslegen. Für die ersten fünf Jahre bräuchten wir Sicherheit, danach kommen wir alleine klar“, sagt Gora Jain. Andere Städte wie Mannheim haben ähnliche Initiativen gestartet, aber für Gora Jain ist das Ziel eine alle vernetzende Bundesstiftung.

Entdeckt und Bewahrt! 10 Jahre Forum für Künstlernachlässe. Ausstellung bis 29.9., Staatsarchiv, Kattunbleiche 19. Öffnungszeiten: Mo-Mi 10-18.00, Do-Fr 10-16.00. Symposium zum Thema am 14. September ab 10 Uhr im Staatsarchiv