ProSieben zeigt von heute an die Mystery-Serie „Under the Dome“, die auf einem Roman von Stephen King basiert

Für die Frage „Was wäre, wenn...?“ und ihre haarsträubenden Konsequenzen ist der US-Autor Stephen King seit Jahren zuverlässiger Spezialist und Bestseller-Lieferant. Was wäre, wenn sich in einem idyllischen Städtchen auf einmal ein Vampir ein Ferienhäuschen nimmt und dann Mordshunger auf den einen oder anderen ahnungslosen Nachbarn verspürt? Was wäre, wenn Kuscheltiere doch nicht so ganz tot sind nach ihrem ordnungsgemäßen Ableben? Wenn Clowns nicht immer freundlich sind, sondern fiese Beißer und eine so miese Laune hätten wie der böse Wolf im Märchen? Und was wäre also, wenn ein beschauliches Kaff in Neuengland namens Chester’s Mill aus heiterem Himmel von der Außenwelt abgeschnitten wäre? Aber nicht durch irgendwelche Stromausfälle, sondern weil sich eine riesige, unsichtbare Käseglocke über sie gestülpt hat.

Eines schönen Morgens kracht das Kraftfeld vom Himmel herab. Warum, weswegen, und durch wen verursacht, ist anfangs total unklar. Lastwagen, die davon überrascht werden, schieben sich beim Aufprall zu einer Ziehharmonika aus Blech, Fahrer und Motorblock zusammen, eine Kuh, die im entscheidenden Moment unglücklich steht, wird im Stück längst halbiert. Kein Fernsehen mehr von außerhalb gibt es danach, kein Telefon, kein Internet, kein Funk, nichts. Gar nichts funktioniert noch. Und dummerweise sind fast alle Polizisten und Feuerwehrleute gerade zu einer Parade ins Nachbarörtchen gefahren; denkbar schöne Voraussetzungen also für ein gediegenes Rätselraten. Der Rest der Welt ist von jetzt auf gleich ausgeschlossen, Chester’s Mill ist eingeschlossen und muss auf unabsehbare Zeit sehen, wie es damit klarkommt. Das 21. Jahrhundert besteht ab diesem Moment nur noch auf dem Papier, unterhalb der Käseglocke, die sich über das ruhige Örtchen legt, wird bald das Recht des Stärkeren gelten, so viel ist schon mal klar.

Eine Mischung aus „Herr der Fliegen“ und „Lost“ mit einer Prise subkutaner „Twin Peaks“-Mulmigkeit könnte man „Under the Dome“ nennen; dass einer der „Lost“-Autoren mit im Team war, steigert die Erwartung, hier keine Durchschnittsware serviert zu bekommen. In „Lost“, der Kultserie über die Überlebenden eines Flugzeugabsturzes und eine sehr geheimnisvolle Insel, gibt es schließlich eine Szene, in der einem Charakter die Flucht per Segelboot nicht gelingt und er erkennen muss: „Das ist alles, was noch da ist. Nur das Meer und dieser Ort hier. Wir sind in einer verdammten Schneekugel gefangen.“ Für eine Handvoll Hinterwälder aus Maine wird diese wenig erbauliche Einschätzung zur Wirklichkeit.

Gemeinsam mit Steven Spielberg hat King die Verfilmung seines gleichnamigen Mystery-Romans, der in Deutschland „Die Arena“ heißt, realisiert und produziert. Der Auftakt dieser Serie, mit der ProSieben ab heute mit Doppel- oder Tripelfolgen aus dem Sommerloch starten will, lässt sich durchaus vielversprechend an. Die ersten Anzeichen eines ganz speziellen Lagerkollers werden in der ersten Folge schon nachdrücklich angedeutet, die sich sehr darum bemüht, das Aroma der Serie zu definieren. Auch das Personal ist so durchsortiert, dass schnell klar ist, wie brüchig das Sozialgefüge in Chester’s Mill unter der Hübsche-Kleinstadt-in-Maine-wo-alles-noch-seine-Ordnung-hat-Oberfläche sein wird, sobald Chaos und Panik ausbrechen, weil niemand weiß, was Sache ist. Manche bekommen Anfälle und reden sonderbares Zeug, andere bereuen es schnell, mit Herzschrittmachern in die Nähe des Mysteriums zu kommen.

Ein bisschen weniger Tempo bei dieser Exposition hätte die Spannung möglicherweise erhöht, aber so scheint ständig das klassische Dramaturgie-Gerüst einer Pilotfolge durch: Erst mal im vollen Lauf rein ins Durcheinander, der Rest findet sich dann schon. Die wenigen Guten – entweder tragen sie Uniform oder sind eine wackere Reporterin – scheinen zumindest sehr gut zu sein, bei allen anderen sind Zweifel erlaubt. Und sofort stellen sich Fragen über Fragen. Wer ist dieser Dale Barbara, ein ruppiger Armee-Veteran, der ausgerechnet den Spitznamen Barbie trägt und zur Begrüßung des Zuschauers die erste und bestimmt nicht letzte Leiche der Serie in eine frisch ausgehobene Grube wirft? Dass Tiere auf einmal nervös werden und sich sonderbar verhalten, kennen King-Stammleser längst als Omen, das seltenst Gutes verheißt.

Warum bunkert ein zwielichtig überfreundlicher Kommunalpolitiker so viel Propangas? Da „Big“ Jim Rennie von Dean Norris gespielt wird, den die gesamte Seriensüchtigen-Welt als Drogenfahnder Hank Schrader aus „Breaking Bad“ kennt und vergöttert, ist sofort klar: Dieser Charakter wird genau zu beobachten sein. Wie lang wird es dauern, bis sein offenbar zum Psychopathischen neigender Teenager-Sohn Junior das Klappmesser nicht mehr nur zum manischen Herumwedeln benutzt? Eine Kellnerin hat er jedenfalls schon nach wenigen Minuten entführt und in Daddys alten Atombunker hinterm Haus gesperrt. Sympathen und Sonderlinge also, ziemlich überall in Chester’s Mill. Und das ist hoffentlich erst der Anfang.

„Under the Dome“ ab heute jeweils mittwochs 20.15 Uhr, ProSieben