Die Berufung des „Bild“-Manns Nikolaus Blome zum „Spiegel“-Vizechef könnte am Widerstand der Redaktion scheitern

Hamburg. Montags lädt sich der „Spiegel“ gern Gäste ein. Prominente aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft begutachten dann gemeinsam mit der Redaktion das neueste Heft und verteilen Lob und Tadel. Diesen Montag hatte man wohlweislich auf Besuch von außen verzichtet. Denn nicht nur die Blattkritik fiel aus. Den Gästen hätte sich auch das höchst unvorteilhafte Bild einer Redaktion geboten, die ein nahezu unendlich tiefer, kaum mehr zu überbrückender Graben von ihrem künftigen Chefredakteur Wolfgang Büchner, aber auch von „Spiegel“-Geschäftsführer Ove Saffe trennt.

Ursprünglich wollte Büchner erst in einer Woche der Redaktion seine Aufwartung machen. Dann tritt er seinen Dienst beim „Spiegel“ offiziell an. Doch der massive Widerstand, der ihm seit der Ernennung des „Bild“-Mannes Nikolaus Blome aus den Reihen der „Spiegel“-Redaktion entgegenschlägt, zwang ihn, sieben Tage früher als geplant im Verlagshaus auf der Ericusspitze vorbeizuschauen. Um es vorwegzunehmen: Es war eine höchst unerfreuliche Veranstaltung für den künftigen „Spiegel“-Chef. Nicht ein einziger „Spiegel“-Redakteur unterstützte die Berufung Blomes. „Büchner redete gegen eine Wand“, sagt ein Teilnehmer.

Wie ernst die Lage ist, wird ihm bewusst geworden sein, als der Chef des Gesellschaftsressorts Stefan Willeke eine Resolution vortrug, in der er ihn namens aller übrigen Ressortleiter aufforderte, die Berufung Blomes zum stellvertretenden Chefredakteur zurückzunehmen. Etwas Vergleichbares hat es in der Geschichte des „Spiegel“ noch nie gegeben. Doch Büchner wollte dieser Forderung nicht nachkommen. Er pries Blome, der auch bei „Bild“ stellvertretender Chefredakteur ist, als hervorragenden Journalisten. Als ihm entgegengehalten wurde, dass Blome bei dem Boulevardblatt auch fragwürdige Geschichten wie die über den ehemaligen „Spiegel Online“-Mitarbeiter verantwortet, der in einem islamischen Land seit 20 Monaten in Geiselhaft sitzt, räumte er ein, auch ihm habe diese Story nicht gefallen. Aber man müsse Blome eine Chance geben. Der „Spiegel“ sei keine Reha-Anstalt für schlechte Journalisten, sagte ein „Spiegel“-Redakteur.

Für Verwunderung sorgte Büchners Schilderung des künftigen Aufgabenfeldes Blomes. Die Funktionen des Neuen seien nicht mit denen der beiden stellvertretenden Chefredakteure Klaus Brinkbäumer und Martin Doerry zu vergleichen. Blome sei außerhalb des Berliner „Spiegel“-Büros, dessen Leitung er ebenfalls übernehmen soll, niemandem gegenüber weisungsbefugt. Weshalb dann aber der Titel Stellvertretender Chefredakteur? Weil Blome ihn schon bei „Bild“ trägt und er diesen Titel nicht verlieren will? Vor den Ressortleitern hatte Büchner bereits am Mittwoch so etwas angedeutet. Dass er dies nun vor einem größeren Kreis wiederholte, dürfte Blomes Standing in der Redaktion, so er denn überhaupt sein Amt antritt, kaum zuträglich sein.

Gegenüber dem Plenum sagte Geschäftsführer Saffe, er habe sich für die Berufung Blomes im Einvernehmen mit allen Gesellschaftern entschieden. In Redaktionskreisen heißt es nun, Saffe habe möglicherweise eine Äußerung der Geschäftsführung der Mitarbeiter KG missverstanden, des „Spiegel“-Hauptgesellschafters. Deren stellvertretender Sprecher Gunther Latsch sagte, über diesen Punkt werde auf einer Info-Veranstaltung der KG am Mittwoch zu sprechen sein.

Dann dürfte auch Klarheit darüber herrschen, was es mit einem angeblichen Ultimatum Büchners auf sich hat. Er soll die Mitarbeiter KG aufgefordert haben, sich bis Mittwoch mit der Berufung Blomes einverstanden zu erklären. Offenbar hat er aber für den Fall, dass dies nicht geschieht, keine Konsequenzen angedroht. Büchner wollte sich dazu ebenso wenig äußern wie KG-Vertreter. Dass Büchner Blome gegen den Widerstand der kompletten Redaktion durchsetzen kann, ist kaum vorstellbar.