Das Dokudrama „Der wirkliche Amerikaner“ erinnert an den berüchtigten US-Senator

Als „Joe“ McCarthys mit einer US-Flagge dekorierter Sarg mit einer Air-Force-Maschine von Washington D.C. in seinen Heimatstaat Wisconsin geflogen wurde, spielten Soldaten während des Fluges darauf Karten. Kaum einer aus den Politzirkeln des amerikanischen Regierungssitzes und des Parlaments weinte dem Senator auch nur eine Träne nach. Der inzwischen emeritierte Harvard-Professor Leon Kamin erzählt, was er gedacht habe, als er vom frühen Tod McCarthys hörte: „Das wird auch Zeit!“ Kamin saß wie Hunderte andere Amerikaner vor dem „Ständigen Ausschuss für Untersuchungen“ und wurde kommunistischer Unterwanderung und Spionage verdächtigt.

Joseph McCarthy (1908–1957) wurde nur 48 Jahre alt, seine politische Karriere dauerte nur ein paar Jahre, doch zu Beginn der 50er war er der mächtigste Mann Amerikas, mächtiger als der Präsident. Eine ganze Ära wurde nach ihm benannt, die Zeit des McCarthyismus, die von 1950 bis 1954 dauerte. Der deutsche Regisseur Lutz Hachmeister hat sich mit dieser schillernden Figur befasst und ein Dokudrama über den Kommunistenhasser gedreht: „Der wirkliche Amerikaner – Joe McCarthy“.

Joe McCarthy malte das Menetekel einer kommunistischen Unterwanderung der Administration an die Wand. Dabei nahm er besonders die CIA, die Armee und das Außenministerium aufs Korn. Er verfolgte angesehene Professoren und andere Intellektuelle, selbst vor dem Weißen Haus und den Präsidenten Truman und Eisenhower machte sein wahnhafter Ermittlungseifer keinen Halt.

Möglich war diese Hetzjagd durch die besondere historische Situation, in der die USA sich zu Beginn der 50er befanden: Verrat von Forschungsergebnissen aus dem Atomprogramm an die Russen, der Koreakrieg sowie ein Bündnis, das die UdSSR mit China einging. Amerika sah sich im Äußeren von Feinden umzingelt, und McCarthy schürte mithilfe der Medien die Angst vor dem Feind im Inneren.

Hachmeister lässt etliche Zeitzeugen zu Wort kommen. Verwandte des Farmersohns ebenso wie Opfer seines Ausschusses, Ex-Politiker wie den früheren Außenminister Kissinger oder seinen Biografen. Außerdem baut er geschickt unzählige Originaldokumente ein, denn damals nahm das Fernsehen in den USA bereits einen großen Stellenwert ein. Die Debatten, die 1954 zum Sturz McCarthys führten, wurden landesweit live übertragen. Parallel dazu ließ Hachmeister viele Szenen von renommierten Darstellern nachspielen, vor allem solche, in denen keine Kamera dabei war, von denen es aber detaillierte Aufzeichnungen gibt.

Von zahlreichen Befragten wird McCarthy als schlimmer Opportunist, Karrierist, vor allem aber als Lügner dargestellt. „Nur die großen Lügen zählen“, sagt einer der Zeitzeugen und davon hat McCarthy der Öffentlichkeit eine ganze Reihe aufgetischt. Er war ein Meister der Diffamierung, dabei aber ein durchaus charmanter und geselliger Typ, dem Alkohol sehr zugetan. Als er 1954 massiv gegen die Armee vorging und viele Offiziere in Verbindung mit kommunistischen Aktivitäten bringen wollte, überspannte er den Bogen. Ein gegen ihn eingesetzter Ausschuss setzte ihn ab. Drei Jahre später war er tot, gestorben an seiner Trunksucht.

„Der wirkliche Amerikaner – Joe McCarthy“ heute, 20.15, Arte