Ambivalenter Dokumentarfilm: „Sadhu“

Das Plakatmotiv zeigt die Rückenansicht eines nur mit einem Lendenschurz bekleideten, langhaarigen Mannes vor imposanter Bergkulisse. Wer darin ein Versprechen von exotischer Ferne und Selbstfindung sieht, wird sich davon angezogen fühlen, anderen mag das eher dubios vorkommen. Dabei erweist sich der Dokumentarfilm „Sadhu – Auf der Suche nach der Wahrheit“ des Schweizers Gael Métroz als durchaus ambivalent, so ambivalent wie sein Protagonist selbst.

Suraj Baba hat die letzten acht Jahre in einer Felshöhle in Indien verbracht. Wenn man ihn zu Beginn beim Gebet oder bei seinen Yoga-Übungen sieht, erfüllt er alle Klischees, die man mit einem einsiedlerischen Gottessucher verbindet. Wenn er dann jedoch in perfektem Englisch spricht oder durchaus gelungene Folksongs zur Gitarre anstimmt, später auch einmal kopfwippend einer Rockband zuhört, will er diesem Klischee so gar nicht entsprechen.

Nach den acht Jahren verspürt Baba eine gewisse Leere, wie er selbst dem (stets unsichtbar bleibenden) Filmemacher mitteilt. So macht er sich auf den Weg zum Kumbh Mela, der größten religiösen Zeremonie der Welt am Ufer des Ganges. Doch in dem dortigen Trubel erkennt er „einen großen Zirkus, ein Theater und Überheblichkeit“. Wie kann es sein, dass sich unter den Sadhu, also den Wahrheit suchenden Männern, die ein einfaches Leben führen, ein anderes Hierarchie-System etabliert hat?

Am Ende setzt Suraj Baba seine Pilgerreise alleine fort. Im Hochland von Nepal spricht er von den widerstreitenden Tendenzen in ihm. Diese undogmatische Einstellung ungefiltert wiederzugeben, macht die Qualität dieses Films aus, der eben keine Antworten gibt, sondern Fragen stellt.

++++- „Sadhu“ Schweiz 2012, 90 Min., k.A.; R: Gael Métroz, täglich im Abaton (OmU)