Das französische Quintette Aquilon widmet sich deutscher Bläsermusik des 20. Jahrhunderts

August Klughardt? Der Komponist (1847–1902) wirkte in Dessau als Kapellmeister, er verehrte Wagner, schrieb aber im Geiste Robert Schumanns. Ich bekenne: Auch im Schweizer Käse meiner musikalischen Bildung war sein Name bislang eines der Löcher. Dass Klughardts überschaubares Oeuvre erst seit etwa zehn Jahren vermehrt das Interesse der Nischensucher unter den Interpreten findet, lindert das Ignoranzgefühl etwas.

Sein Quintett in C-Dur (1901) steht am Anfang der neuen Aufnahme „German Wind Quintets“ des Quintette Aquilon, das aus fünf ehemaligen Studienkolleginnen des Conservatoire de Paris besteht. Aquilon ist im Französischen ein poetischer Begriff für den Norden oder den Nordwind; womöglich ein Hinweis auf die Klarheit und Nüchternheit, mit der die fünf Damen Repertoire und Zusammenspiel pflegen. Klughardts sehr gutes, satztechnisch vielgestaltiges Stück lassen sie auf Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott mal glänzen, mal schimmern.

Paul Hindemiths markant-poetische „Kleine Kammermusik für fünf Bläser“ (1922) steckt voll kühner Melodien und Harmoniefortschreitungen und bleibt doch im Duktus des musikantisch Verspielten. Das ein Jahr später entstandene Divertimento op. 4 (1923) von Hanns Eisler wirkt auf graziöse Art zerrissen; die Tempi sind viel freier, die Musik ist von vielen kleinen abrupten Stopps durchsetzt und atmet eine drohende Unruhe. 44 Jahre und einen Weltkrieg später schrieb Karlheinz Stockhausen sein „Adieu“ (1967), das schwerlich allein als Abschied auf den früh ums Leben gekommenen Sohn des Auftraggebers des Stücks zu hören ist.

Die überwiegend in Mikrointervallen organisierte Musik, in denen sich das Geschehen wie in Zeitlupe verändert, zelebriert virtuos die Schönheit des Ungesicherten. Das Quintette Aquilon spielt diese vier entlegenen Signaturstücke des 20. Jahrhunderts mit Finesse, Individualität und vor allem jenem Ensemblegeist, der die Kammermusik so kostbar macht.

Quintette Aquilon: „German Wind Quintets“ (Crystal/Delta Music)