Es gibt eine Platte, die mich tatsächlich schon 44 Jahre begleitet. Wir lebten damals in Mailand und ich habe sie für 1000 Lire zwischen Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt gekauft, als ich sieben war. Auf dem Cover ist im weinroten Passepartout das Porträt einer wunderschönen Frau: Maria Callas „La Divina". Meine Mutter sagte etwas von Raubkopie, als ich ihr meine Beute zeigte und das machte die Platte für mich damals noch außergewöhnlicher. Als Kind habe ich sie wieder und wieder von vorne gehört und fühlte mich dadurch mit großen Geheimnissen verbunden.

Ganz besonders angezogen war ich von einer Arie, die den rätselhaften Titel „Ebben! Ne andrò lontana“ trug, aus „La Wally“ von Catalani. Damals hatte ich das kindliche Gefühl, dass darin alle Not und alle Geborgenheit vorkommen, die ein Mensch haben kann. Vom Text habe ich nicht viel mehr mitbekommen, als dass es darum geht, alleine sehr weit weg zu gehen. Das fand ich traurig und aufregend zugleich. Heute habe ich die Platte immer noch bei mir, sie knistert und knackt unglaublich, wenn man sie abspielt und natürlich habe ich die Aufnahme inzwischen auch auf CD. Aber bei allen wirklich existenziellen Situationen in meinem Leben hole ich diese Platte hervor und sie hilft mir zu weinen, zu lachen und zu leben.

Isabella Vértes-Schütter ist die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters