Anne Lenk bringt Finn-Ole Heinrichs Erfolgsroman „Räuberhände“ auf die Bühne

Hände faszinieren ihn. Dabei hat der junge Samuel selbst echte „Räuberhände“, solche, die am Ende der Finger vom Chaos erzählen. Zerbissen, wie sie sind. Der Titel von Finn-Ole Heinrichs Erfolgsroman verweist auf diese Bruchstelle in dem Jungen, der allein mit seiner Mutter, einer Alkoholikerin heranwächst. Den Vater, mutmaßlich Türke, kennt er nicht. Der Roman erzählt das Geschehen aus Sicht Janiks. Der brave Janik, das Lehrerkind. Sein Freund, sein Gefährte in der Schulzeit.

Die Stückfassung Wolfgang Müllers montiert Gedanken, Träume und Worte der beiden Jungen. Die erstaunliche Sprache des bei Veröffentlichung 2007 erst 25-jährigen und die Form, in der sich literarische, filmische und fotografische Mittel überblenden, sind nur einige Aspekte, die Anne Lenk an dem Stoff faszinieren. Mit der Premiere am 16. August gibt die junge Regisseurin ihr Debüt im Thalia in der Gaußstraße. „Ich kannte das Buch und habe dort viele Fragen aus meiner Schulzeit wiedergefunden“, erzählt Lenk. „Janiks Überlegungen sind sehr erwachsen und reflektiert. Gleichzeitig ist er damit beschäftigt, sich selbst zu finden, sich vom Elternhaus abzusetzen.“

Das beinhaltet auch, Sauberkeit und Reinheit zu zerstören, den Schmutz und die Brüche zu suchen. „Es ist diese Art und Weise, die Welt zu sehen, wenn man jung ist. Man sitzt am Strand und findet alles wundervoll, saugt es bewusst in sich auf, sehr schöngeistig“, so Lenk. Beide Jugendliche suchen im anderen den Spiegel, das Gleiche. Ein ungeheuerliches Ereignis, eine mit Verrat und Scham belegte Tat Janiks droht die Freundschaft zu zerstören. Der gemeinsame Istanbul-Trip soll Heilung bringen. In der Fremde geht es um die schwierige Identitätssuche. Am Ende ist die Freundschaft nicht mehr wie vorher. Janik gibt den gemeinsamen Traum auf, während für Samuel die türkischen Wurzeln immer wichtiger werden. Und doch scheint am Ende eine Fortsetzung möglich.

„Beide müssen lernen, den anderen so zu lassen wie er ist und ein Gefühl für das Eigene und das Andere zu entwickeln“, sagt Lenk. „Seine Herkunft sucht man sich nicht aus. Die Persönlichkeit besteht aus einer Reihe von Eigenschaften. Verändert man sich in einem Punkt, ändert sich nicht zwangsläufig die gesamte Persönlichkeit.“

Die 35-Jährige spürte während des Studiums am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen schnell, dass der Performance-Weg nicht das Richtige für sie ist. „Ich finde den Stoff, um mich abzuarbeiten, eher im Literarischen“, so Lenk. Dabei half ihr das Regiestudium an der Otto-Falckenberg-Schule. Schnell folgten erste Aufträge, heute arbeitet sie zwischen München und Wien. Den Abend inszeniere sie für ihre Verhältnisse kleinteilig, verspielt. Auf der Bühne stehen Sven Schelker, seit einem Jahr im Ensemble, und Patrick Bartsch, Gast aus Berlin. „Räuberhände“ steht auch regelmäßig vormittags für Schüler auf dem Spielplan.

„Räuberhände“ Premiere Fr 16.8., 20.00, Thalia in der Gaußstraße (S Altona, Bus 2), Gaußstraße 190, Karten 20,- unter T 32 81 44 44; www.thalia-theater.de