Die Komödie „Das Glück ist eine ernste Sache“ von Hermine Huntgeburth hat endlich einen Sendeplatz gefunden

Hamburg. Olivia (Eva Löbau) hat es nicht leicht. Sie arbeitet als Vermessungstechnikerin, und nicht nur dabei stellt sie sich sehr ungeschickt an. Auch privat ist ihr Leben eine einzige Baustelle. Ihr Freund Klaus (Devid Striesow) hat sich von ihr abgewandt. Und dann muss sie sich auch noch mit ihrer Mutter Kora (Christine Schorn) auseinandersetzen. Die erwacht nicht nur aus dem Wachkoma, sondern bringt auch noch ihren neuen Freund Rudi (Friedrich von Thun) mit ins Haus, von seinem Hund ganz zu schweigen. „Das Glück ist eine ernste Sache“ – der Titel von Hermine Huntgeburths Tragikomödie — könnte Olivias Lebensmotto sein. Leicht fällt ihr kaum etwas.

Als Klaus mal wieder zu spät aus dem Büro nach Hause kommt, weil er angeblich ein Kundengespräch führen musste, zeigt Olivia ihre typischen Reaktionsmuster. Sie hat gewartet, getrunken, geweint. Er verachtet sie und begegnet ihr mit ätzendem Zynismus. „Du solltest den Therapeuten wechseln“, höhnt er. Und als sie heulend ins Schlafzimmer rennt, ruft er hinterher: „Und wisch dein Gesicht nicht wieder in meinen Hemden ab!“

Therapeut Bleuler verzweifelt an seiner Patientin. Er rechnet ihr vor, wie sehr Klaus sie missachtet: Keine Aufmerksamkeit, kein Sex, demonstrative Unpünktlichkeit. „Sie glauben immer noch, dass der Mann gut für sie ist?“, fragt er und meint das rhetorisch. Aber sie will das nicht hören und ist sich sicher, dass Klaus sie braucht.

Olivias zweites Problem ist ihre Mutter. Ihr Stiefvater pflegte die Wachkomapatientin. Als der unerwartet stirbt, kehren ihre Lebensgeister zurück. Kora fliegt achtkantig aus der Reha-Klinik und nimmt ihre neue Bekanntschaft Rudi gleich mit. Rudi ist Besitzer der fußballverrückten Bulldogge „Diego“ und leiht sich immer mal wieder gern Geld von Kora, um sie zu vertrösten: „Setz es auf die große Rechnung!“

Die Hamburger Regisseurin Huntgeburth lässt zahlreiche Gegensätze effektvoll aufeinanderprallen. Mutter Kora lässt in ihrer überschäumenden Vitalität Tochter Olivia ganz schön alt aussehen. Beide Rollen sind wunderbar besetzt. Christine Schorn überzeugt als zunächst hinfällige, dann lebenslustige Seniorin, die ihrem Kind sagt: „Irgendjemand da oben hat mir eine letzte Chance gegeben, und die werde ich wahrnehmen.“ Nichts und niemand soll ihr diese Gelegenheit vereiteln: „Schon gar nicht eine frustrierte Neurotikerin.“ Bereits beim Deutschen Filmpreises hatte sich Schorn darüber beschwert, dass ältere Darstellerinnen nur Rollen zum Thema Krankheit und Tod angeboten bekämen. Diese Rolle ist etwas anders, und Schorn macht viel daraus.

Eva Löbau gibt die Frau ohne Rückgrat und Selbstbewusstsein mit einer gruseligen Glaubwürdigkeit. Die Männer machen das fatale Beziehungsquadrat komplett. Striesow erniedrigt als Klaus seine Freundin fies, gekonnt und kühl – privat und in der Öffentlichkeit. Wenn Olivia bei einem Kollegenabend hündisch und mit bis zum obersten Knopf zugeknöpfter Bluse seiner tief dekolletierten Kollegin das Essen serviert und zweifelt: „Ich weiß nicht, ob es gelungen ist“, fragt er kurz darauf: „Kann man das essen?“ Und als sie ihm in äußerster Verzweiflung an den Kopf wirft: „Ich verlasse dich“, gibt er ihr nur die höhnische Antwort: „Bis nachher.“

Die Nuancen dieser Alltagshölle sind fein beobachtet und in satten Dialogen aufgearbeitet. Dazu kommt die Körpersprache der Darsteller, etwa wenn Striesow sich abwendet, um Löbau mit einem Kussversuch ins Leere laufen zu lasen. Eine zusätzliche Dimension erhält der Film durch Friedrich von Thuns Charakter. Er spielt nicht nur den scheinbar unverwüstlichen Charmebolzen und nimmermüden Konzertveranstalter mit zweifelhaften Geschäftsmethoden. Sein Rudi leidet an einer schweren psychischen Krankheit, einer bipolaren Störung.

Man merkt deutlich, wie intensiv sich die Regisseurin und ihr Drehbuchautor Lothar Kurzawa mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Beide sind zusammen mit Volker Einrauch Kollaborateure bei der Hamburger Produktionsfirma Josefine Film. „Das Glück ist eine ernste Sache“ entstand schon 2009, also noch vor Huntgeburths Kinofilmen „Tom Sawyer“ und „Huck Finn“ und hat jetzt endlich einen Sendeplatz gefunden.

„Das Leben ist eine ernste Sache“ Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD